Progressive Muskelentspannung nach Jacobson

gesundes Lächeln
 

Drei Säulen sind für unser Wohlbefinden wesentlich: Bewegung, Ernährung und Entspannung. Vor allem letzteres kommt im stressigen Alltag leider oftmals zu kurz. Job und Familie fordern unsere ganze Aufmerksamkeit, Zeit für Entspannung bleibt da kaum. Dazu kommen die Schattenseiten unserer modernen Gesellschaft in Form von Leistungsdruck und Reizüberflutung. Entspannungstechniken wie die progressive Muskelentspannung nach Jacobson können eine wirksame Methode sein, um den Teufelskreis zu durchbrechen und im Alltag Quellen der Entspannung zu finden.

In diesem Artikel befassen wir uns ausführlich mit der Muskelrelaxation nach Jacobson. Wie wirkt progressive Muskelentspannung und wo kommt sie zum Einsatz? Auch einfache Übungen für den Alltag sollen nicht zu kurz kommen.

Was ist progressive Muskelentspannung?

Progressive Muskelentspannung (PME) oder auch progressive Muskelrelaxation (PMR) ist ein spezielles Entspannungsverfahren, das in den 1920er-Jahren vom amerikanischen Arzt Edmund Jacobson entwickelt wurde. Durch den ganz bewussten Wechsel von Muskelanspannung und -entspannung sollen Zustände von Erregung, Unruhe und Angst reduziert werden. Dem geht die simple Annahme voraus, dass Stress und Erregung der Grund für viele kleine und größere Leiden sind.

Nun, in den letzten Jahrzehnten wurde die progressive Muskelentspannung weiterentwickelt und ist mittlerweile viel simpler aufgebaut, als der Arzt das ursprünglich vorsah. In der Ursprungsversion waren nämlich über 50 Sitzungen notwendig, um Entspannung nach Jacobson zu erlernen. Mehr als 30 Muskelgruppen wurden in bestimmter Abfolge angespannt, um sie anschließend zu entspannen. Effektiv, aber nicht gerade alltagstauglich.

Heute umfasst die progressive Muskelrelaxation im Schnitt etwa neun Übungen und lässt sich leicht erlernen. Sie benötigt kaum Vorbereitung oder Platz und kann problemlos in den Alltag integriert werden. So ist es möglich, in Sekundenschnelle auf körperlicher sowie seelischer Ebene zu entspannen und diesen Entspannungszustand beizubehalten.

Natürlich gibt es auch andere Entspannungstechniken, die sich bewährt haben – autogenes Training zum Beispiel. Doch kein Verfahren ist wissenschaftlich so gut untersucht wie die progressive Muskelentspannung nach Jacobson.

Wie funktioniert Muskelrelaxation nach Jacobson?

Stehen wir unter Stress, spannt sich unser Muskeltonus an. Das ist ein ganz normaler physiologischer Vorgang, um im Ernstfall handlungsfähig zu sein. Im Alltag bekommen wir solche Spannungszustände oftmals gar nicht mehr richtig mit. Auch nicht, wenn sie fortwährend vorhanden sind. Dabei ist Dauerstress unserer Gesundheit nicht unbedingt zuträglich, er kann uns auf lange Sicht sogar krank machen.

Unter diesen Umständen ist progressive Muskelentspannung nach Jacobson nicht nur eine Möglichkeit, wieder achtsam mit eigenen Spannungszuständen umzugehen, sie befähigt uns auch dazu, den Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung bewusst herbeizuführen.

Das Prinzip der Entspannungstechnik ist denkbar einfach: Einzelne Muskelgruppen werden wenige Sekunden lang angespannt, um sie folgend wieder zu entspannen. Das geschieht konzentriert und bewusst, der damit verbundenen Empfindung wird nachgespürt. Nachfolgend aktiviert und entspannt man so verschiedene Muskelgruppen von Kopf bis Fuß. Während der Zustand der Anspannung mit etwa fünf bis zehn Sekunden relativ kurz bemessen ist, dauert die Phase der Entspannung zwischen 30 und 45 Sekunden. Eine gesamte Einheit ist mit einer durchschnittlichen Dauer von etwa 20 Minuten im Alltag gut umsetzbar.

Doch nicht nur im privaten Rahmen kommt PME gerne zum Einsatz, sie wird auch ergänzend in der Behandlung verschiedener Erkrankungen angewendet.

Wie wirkt progressive Muskelentspannung?

Unserer Alltag lässt uns oftmals wenig Raum, um Stress effektiv abzubauen. Sport kann eine Möglichkeit dazu sein, ist aber nicht in jeder Situation und an jedem Tag möglich. Progressive Muskelentspannung bietet eine gute Möglichkeit, Stress zwischendurch ein wenig einzudämmen. So kann es gelingen, von einem spannungsgeladenen Zustand in angenehme Entspannung zu finden. Experten bezeichnen dies als „vegetative Umschaltung“.

Zudem vermittelt uns Muskelentspannung nach Jacobson wieder ein Gefühl für unseren Körper inklusive seiner Spannungszustände. Wir lernen, vom Aktivitätsmodus in den Sparmodus zu wechseln. Es geht darum, zu entspannen und aufgestaute Eindrücke zu verarbeiten. Und das jederzeit, wann immer wir es benötigen. Je mehr Übung wir haben, desto leichter fällt es uns, entsprechende Techniken abzurufen. Dieses körperliche Loslassen tut nicht zuletzt Geist und Seele gut.

Progressive Muskelentspannung nach Jacobson verhilft uns zu weniger Anspannung, ruhigerer Atmung, niedrigerem Blutdruck sowie einer reduzierten Darmtätigkeit. Wir entwickeln ein besseres Körpergefühl, unser individuelles Stressgefühl lässt nach, Gedanken können fließen und Verspannungen lösen sich nachhaltig.

Wo kommt progressive Muskelentspannung zum Einsatz?

Progressive Muskelentspannung nach Jacobson lässt sich anwenden, um im Alltag rasch Entspannung zu finden. Viele Menschen schätzen diese Technik ganz besonders, weil sie leicht zu erlernen und schnell abrufbar ist. Zudem lässt sie sich gut zwischendurch einsetzen. Weder braucht es spezielles Equipment, noch viel Platz. Sogar Kinder schaffen es, sich entsprechende Techniken im Handumdrehen anzueignen.

Doch auch als Begleittherapie für verschiedene körperliche sowie psychische Probleme und Erkrankungen kommt die Entspannungstechnik zum Einsatz.

Hier kann progressive Muskelentspannung helfen:

  • Verhaltenstherapie (im Rahmen der systematischen Desensibilisierung, zum Beispiel bei Angststörungen oder Phobien)
  • Bluthochdruck
  • Kopfschmerzen/Migräne
  • Rücken- und Nackenschmerzen
  • Schlafstörungen
  • Stresszuständen

Auch ängstliche oder motorisch stark aktive und unruhige Kinder profitieren von der progressiven Muskelentspannung nach Jacobson.
Kontraindikationen sind in jedem Fall akute Psychosen sowie Muskelkrämpfe und Erkrankungen der Muskulatur. Auch wenn sich ein Migräneanfall ankündigt, sollte PME nicht angewendet werden.

Muskelrelaxation nach Jacobson: Tipps für Anfänger

Muskelentspannung nach Jacobson ist leicht erlernbar. Material dazu findet sich im Netz sowie im gut sortierten Buchhandel. Manche Menschen lassen sich am Anfang auch gerne professionell anleiten. Kurse in progressiver Muskelrelaxation werden beispielsweise in Gesundheitszentren oder an Volkshochschulen angeboten.

In jedem Fall ist es wichtig, dass man während der Einheiten auch wirklich ungestört ist. Spezielle Kleidung ist nicht notwendig, wobei bequeme Alltagskleidung sinnvoll ist. Brillen, Uhren oder größere Schmuckstücke sollten vor der Einheit abgenommen werden. Progressive Muskelentspannung nach Jacobson kann sowohl im Liegen und Sitzen als auch im Stehen durchgeführt werden. Viel Platz oder spezielles Equipment benötigt man nicht.

Progressive Muskelentspannung: Übungen für den Alltag

Für einen ersten Eindruck möchten wir eine verkürzte Einheit darlegen. Diese bezieht sich auf vier verschiedenen Muskelgruppen. Am besten führen Sie die Übungen sitzend durch.

Hände, Unterarme und Oberarme

Ballen Sie die rechte Hand fest zur Faust. Nun winkeln Sie den Arm im Ellenbogen an und ziehen ihn an Ihren Oberkörper heran. Auch in Unter- und Oberarm die Spannung halten. Verharren Sie nun etwa sieben Sekunden lang in dieser Haltung und fühlen Sie die angespannten Muskeln ganz bewusst.
Nun atmen Sie aus und lösen gleichzeitig die Spannung in Hand und Arm. Spüren Sie in sich hinein. Wie fühlt sich der Wechsel von Anspannung zu Entspannung an? Was macht das mit Ihrer Hand und Ihrem Arm? Fühlt es sich warm an oder kalt? Spüren Sie ein Kribbeln? Der Zustand der bewussten Entspannung sollte etwa 45 Sekunden lang andauern.
Wiederholen Sie die Übung nun mit der linken Hand und dem linken Arm.

Gesicht und Nacken

Nun konzentrieren Sie sich auf Gesicht und Nacken. Stück für Stück tasten Sie sich vor: Legen Sie die Stirn in Falten, dann kneifen Sie die Augen fest zu. Rümpfen Sie die Nase, als würden Sie ganz intensiv schnuppern. Nun beißen Sie die Zähne zusammen, um anschließend die Mundwinkeln nach außen zu ziehen. Zum Abschluss bringen Sie Ihr Kinn zur Brust und spüren Sie, wie sich Ihr Nacken anspannt. Die Muskeln im Gesichts- und Nackenbereich verbleiben nun für etwa sieben Sekunden im Zustand der Anspannung.
Lösen Sie die angespannten Muskeln ganz langsam. Augen, Nase, Lippen und Kopfhaut entspannen sich, während sich die Stirn glättet. Der Kiefer ist locker. Das Kinn findet wieder in die Ausgangsposition zurück und wie von selbst entspannt sich die Nackenmuskulatur. Nehmen Sie sich gute 45 Sekunden Zeit, Gesichts- und Nackenmuskeln bewusst zu entspannen. Spüren Sie dabei genau in sich hinein.

Brust, Bauch, Schultern und Rücken

Setzen Sie sich aufrecht hin und ziehen dann die Schultern nach hinten und gleichzeitig etwas nach unten. Parallel dazu spannen Sie die Bauchmuskeln an. Auch die Rückenmuskulatur ist angespannt. Halten Sie die Spannung für sieben Sekunden.
Während Sie die Schultern wieder lockern, entspannen Sie nun gleichzeitig Ihre Bauch- und Rückenmuskulatur. Spüren Sie dem wohligen Gefühl des Loslassens nach. Fühlen Sie 45 Sekunden lang ganz bewusst, wie sich Brust-, Bauch-, Schulter- und Rückenmuskulatur entspannen.

Füße, Unterschenkel und Oberschenkel

Setzen Sie sich bequem hin, sodass Ihre Füße den Boden zur Gänze berühren. Strecken Sie nun die Zehen des rechten Fußes. Gleichzeitig drückt der Fuß nach oben, sodass die Spannung im rechten Unterschenkel deutlich wahrgenommen wird. Heben Sie nun Ihren rechten Oberschenkel ein wenig an. Fuß, Unter- und Oberschenkel verbleiben für sieben Sekunden in Spannung.
Atmen Sie aus und lösen Sie die Anspannung langsam. Die Zehen werden gelockert, das Bein gelangt wieder in die Ausgangsposition zurück. Nehmen Sie sich etwa 45 Sekunden Zeit für diese bewusste Entspannung. Spüren Sie genau in sich hinein, wie sich das anfühlt. Kalt oder warm? Angenehm? Verspüren Sie ein Kribbeln?
Wiederholen Sie die Übung nun auf der linken Seite.

Progressive Muskelentspannung hilft nicht nur dabei Stress abzubauen, auch das Körperbewusstsein profitiert enorm von der Entspannungstechnik nach Jacobsen. Aufgrund der Unkompliziertheit, ohne Geräte oder sonstiges Equipment und Dank der einfachen Durchführung, gehört die Progressive Muskelentspannung heute zu den beliebtesten Entspannungstechniken.