Nachhaltige Mode im Sinne von Fair Fashion boomt. Mit sozial und ökologisch fair produzierter Kleidung der leidigen Fast Fashion langfristig etwas entgegenzusetzen, den Wunsch hegen viele Verbraucher. In der Praxis ist das aber oftmals gar nicht so einfach. Zwar werben sowohl große Konzerne als auch kleine Labels gerne mit nachhaltiger Kleidung, doch nicht überall, wo man sich „Nachhaltigkeit“ ans Revers heftet, wird diese auch tatsächlich gelebt – Stichwort Greenwashing! Eine gute Orientierung können Textilsiegel liefern. Mehr zum Thema erfahren Sie folgend.
Was ist das Problem mit Fast Fashion?
Die Modebranche zählt zu den schnelllebigsten Industriezweigen überhaupt. So wird am laufenden Band Kleidung produziert und das möglichst kostengünstig. Anschließend findet sie reißenden Absatz – teilweise zu richtigen Schleuderpreisen. Der Vorteil einer solchen Strategie liegt auf der Hand: Sowohl die Nachfrage als auch die Gewinne sind gigantisch, Kollektionen wechseln jährlich gleich mehrmals. Dass dabei streng genommen Kleidung für die Mülldeponie produziert wird, ist vielen Endverbrauchern bewusst. Dennoch verschließt man ganz gerne die Augen davor.
Aufgrund ihrer Schnelllebigkeit und dem damit verbundenen Umgang mit Ressourcen richtet die Textilindustrie, so wie sie heute besteht, weltweit großen Schaden an. Hier kommen ökologische und soziale Faktoren gleichermaßen zum Tragen. So sind nicht nur der zweifelhafte Umgang mit natürlichen Ressourcen, die Verunreinigung von Böden und Gewässern mit Chemikalien, lange Transportwege sowie ein hohes Müllaufkommen als Kehrseite von Fast Fashion zu sehen, auch zweifelhafte Arbeitsbedingungen werden auf diese Weise unterstützt. Konkret bedeutet das etwa fehlende Gewerkschaften und Kollektivverträge, geringe Löhne, fehlende Arbeitsplatzsicherheit, Zwangs- und Kinderarbeit oder Diskriminierung.
Wofür steht Fair Fashion?
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Begriffe wie Fair Fashion oder Green Fashion recht wenig voneinander abgegrenzt, liegt der Fokus doch generell auf nachhaltig produzierter Mode, bei der soziale und ökologische Standards eingehalten werden. Streng genommen zielt Fair Fashion jedoch stark auf die soziale Komponente ab und nimmt vor allem Arbeitsbedingungen in den Blick, während Green Fashion sich nicht zuletzt auf ökologischen Faktoren bezieht.
Es scheint wenig verwunderlich, dass nachhaltige und faire Mode die Belange von Mensch und Umwelt gleichermaßen berücksichtigen muss – und das am besten nicht nur während einzelner Prozesse, sondern während der gesamten Wertschöpfungskette. Ein nicht allzu leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, dass Industrie, Handel und Endverbraucher von Fast Fashion profitieren. Glücklicherweise findet langsam ein Umdenken statt. Was es dazu braucht? Hintergrundwissen über Missstände und ein wenig Orientierung, um nachhaltig und fair produzierte Kleidung im reichhaltigen Sortiment der Modeindustrie überhaupt erkennen zu können.
Nachhaltige Mode – von ökologisch bis fair
Nachhaltige Kleidung sollte also beides kombinieren: ökologische und sozial faire Komponenten. Das ist während der gesamten Wertschöpfungskette wichtig, von der Auswahl der Rohstoffe über den gesamten Produktionsprozess bis hin zum Transport und der Ankunft beim Verbraucher. Textilien so herzustellen, dass dies nicht auf Kosten von Mensch und Umwelt geschieht, ist das Ziel. Das erfordert nicht nur das Einhalten von gewissen Standards, sondern zudem Transparenz. Folgend die wichtigsten Aspekte, die sozial-ökologisch fair hergestellte Kleidung ausmachen.
Soziale Standards für nachhaltige Mode:
- Bezahlung von fairen Preisen für Rohstoffe (etwa an Bauern)
- Existenzsichernde Löhne der Arbeiter und Arbeiterinnen
- Sicherstellung, dass keine Kinder-/Zwangsarbeit beziehungsweise Diskriminierung stattfindet
- Sicherstellung guter Arbeitsbedingungen
- Arbeitsplatzsicherheit
- Versammlungsfreiheit; Recht auf Gewerkschaften/Betriebsräte
- Verhandlung von Kollektivverträgen
Ökologische Standards für nachhaltige Mode:
- Sparsamer Einsatz von Ressourcen
- Nutzung naturbelassener und nachwachsender Rohstoffe
- Verwendung von kontrolliert biologisch erzeugten Naturfasern
- Verzicht auf gentechnisch veränderten Pflanzen
- Grenzwerte für den Einsatz von Chemikalien sind einzuhalten
- Verbot toxischer/umweltschädlicher Substanzen
- Umweltschonende Färbemethoden (z.B. pflanzliche Farbstoffe)
- Kurze Transportwege
Greenwashing als Verwirrspiel
Was die Suche nach nachhaltig produzierter Kleidung oftmals erschwert, ist die Tatsache, dass viele Begriffe nicht geschützt sind und daher ordentlich Schindluder getrieben werden kann. Oder anders formuliert: Nicht überall, wo mit klingenden Bezeichnungen wie grün, nachhaltig oder natürlich geworben wird, erhält der Kunde auch tatsächlich sozial-ökologisch fair hergestellte Textilien. Diese Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Verbesserung der Reputation und Gewinnmaximierung hat auch einen Namen: Greenwashing.
Beim Greenwashing gibt sich der Hersteller also um einiges nachhaltiger aus, als er tatsächlich ist. Erst bei näherem Hinsehen stellt so mancher Verbraucher fest, dass hinter vielversprechenden Aussagen leider oftmals nur heiße Luft steckt. Ein nachhaltiges Image bedeutet eben noch lange nicht, dass soziale und ökologische Standards tatsächlich hochgehalten werden. So zeichnet sich die fragwürdige Marketing-Strategie nicht nur durch unklare Bezeichnungen und irreführende Aussagen aus, sondern auch durch sogenannte Zielkonflikte. Hierbei stehen vereinzelte nachhaltige Eigenschaften des Produkts in klarem Widerspruch zu (umwelt-)schädlichen Aspekten. Gerade große Konzerne kreieren zu Greenwashing-Zwecken auch gerne eigene Label oder „Zertifikate“, die nicht unabhängig geprüft und abgesegnet sind. Dass sich viele potentielle Käufer kaum auskennen, was Gütesiegel in der Modeindustrie anbelangt, kommt den Unternehmen hier sicherlich zugute.
Wie erkennt man nachhaltige und faire Kleidung?
Den heimischen Kleiderschrank mit nachhaltigen Produkten zu bestücken, um der Billig- und Wegwerfmode etwas entgegenzusetzen, das wünschen sich viele Verbraucher. In der Praxis ist das oftmals gar nicht so einfach, denn um nachhaltige und faire Kleidung überhaupt kaufen zu können, muss man sie erst einmal erkennen. Sich einen Überblick zu verschaffen, Informationen einzuholen und Greenwashing zu entlarven sind hierzu wesentlich Schritte. Eine ordentliche Portion Skepsis kann ebenso hilfreich sein wie ein wenig Grundwissen über gängige Textilsiegel. Nicht zuletzt dürfen bei konkreten Fragen gerne Verbraucher- oder Umweltschutzorganisationen zu Rate gezogen werden.
Nachhaltige Mode durch Textilsiegel erkennen
Wenn es um den Kauf von fairer und nachhaltiger Mode geht, bieten gängige Textilsiegel eine gute Orientierung. Die Fülle unterschiedliche Gütesiegel darf hier nicht verunsichern. Da jeweils verschiedene Standards erfüllt werden, kann ein einzelnes Produkt durchaus auch mehrere Kennzeichnungen aufweisen. Der Leitsatz „Augen auf beim Kleidungskauf“ zahlt sich hier also sicherlich aus.
Fair Fashion: die wichtigsten Siegel im Überblick
Nachfolgend möchten wir die wichtigsten Logos für nachhaltig produzierte und gehandelte Kleidung kurz vorstellen.
Naturtextil IVN zertifiziert BEST oder kurz IVN Best
Vergeben wird das blaue Siegel vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft e.V. Es liefert aktuell den höchsten Standard und ist leider vergleichsweise selten auf Kleidung zu finden. Das Zertifikat bezieht sich auf die gesamte Wertschöpfungskette. Nicht nur sind hier hohe Umweltstandards beinhaltet, auch Sozialstandards müssen verpflichtend eingehalten werden, um das Siegel ausweisen zu dürfen. Überprüft wird jährlich und es finden auch unangekündigte Kontrollen statt.
Global Organic Textile Standard (GOTS)
Ein weißes Hemd auf grünem Hintergrund – das GOTS-Siegel sticht ins Auge und ziert Textilien in kleinen wie größeren Läden durchaus recht häufig. Es wird ebenfalls vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft e.V vergeben und recht gerne als „kleiner Bruder“ des IVN Best gehandelt. Kontrollierte Kriterien sind recht ident und beziehen sich ebenso auf die gesamte Produktionskette. Da Grenzwerte weniger hoch angesetzt sind, bietet das GOTS-Siegel im Gegensatz zu IVN Best ein wenig Luft nach oben. So müssen GOTS-zertifizierte Textilien beispielsweise nur mindestens 70 % biologisch erzeugte Naturfasern aufweisen. Auch die GOTS-Zertifizierung wird jährlich überprüft.
Fairtrade (Certified) Cotton bzw. Fairtrade Textile Production
Das Fairtrade-Siegel – vielen aus der Lebensmittelindustrie bekannt – wird in zweifacher Form auch in der Textilbranche verwendet.
So weist Fairtrade Cotton aus, dass das Produkt aus 100 % fair gehandelter Baumwolle besteht. Es handelt sich in engerem Sinne um ein Sozialsiegel, das die Arbeitsbedingungen jener Bauern im Blick hat, die Baumwolle liefern. Vor allem kostendeckende Mindestpreise für den Rohstoff stehen im Zentrum. Fairtrade Cotton bezieht nicht den gesamten Wertschöpfungsprozess ein, sondern ist auf den Rohstoff beschränkt. Wenngleich es auch die ökologische Landwirtschaft im Blick hat, ist es kein Umweltsiegel. Der Fokus liegt auf sozialen Standards.
Fairtrade Textile Production ist die Erweiterung von Fairtrade Cotton. Das Siegel bezieht sich nicht nur auf den Rohstoff, sondern auf die gesamte Wertschöpfungskette. Weiterhin handelt es sich aber um ein Sozialsiegel, das sich vorrangig auf soziale Standards bezieht. Grob umrissen sind das existenzsichernde Löhne, Sicherheit am Arbeitsplatz und Verbot schädlicher Chemikalien, Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit sowie Versammlungsfreiheit. Auch Schulungen werden regelmäßig angeboten.
OEKO-TEX Made in Green
OEKO-TEX Made in Green kann als Erweiterung des bekannten OEKO-TEX Standard 100 angesehen werden. So erhalten Textilien, die nach Standard 100 auf Schadstoffe geprüft und zertifiziert sind, die Made in Green-Zertifizierung, wenn umweltfreundliche Prozesse und sozial angemessene Arbeitsbedingungen während der Produktionskette gegeben sind. Es bezieht sich im Gegensatz zu IVN Best und GOTS also nicht auf die gesamte Wertschöpfungskette.
Grüner Knopf
Hierbei handelt es sich um ein relativ neues staatliches Siegel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit Sitz in Berlin. Zwar weisen es vorrangig deutsche Unternehmen aus, der Fokus ist aber durchaus international ausgerichtet. Bisher werden lediglich einzelne Produktionsschritte zertifiziert und noch nicht die gesamte Wertschöpfungskette. Das Siegel ist aber auch noch dabei, sich zu entwickeln. Ein großer Vorteil ist in jedem Fall die kostenlose Teilnahme. Damit ist eine Zertifizierung für Unternehmen keine Budgetfrage mehr und auch kleine Label kommen zum Zug.
Faire und nachhaltige Kleidung – das kann man im Alltag tun
Außer Werbestrategien zu hinterfragen und auf Gütesiegel zu achten gibt es im Alltag noch weitere Möglichkeiten, um in puncto Kleidungskauf den ökologischen Fußabdruck klein zu halten. Die meisten davon lassen sich zudem leicht umsetzen. Dabei geht es keineswegs um Verzicht, sondern vielmehr darum, ein wenig bewusster mit Konsum und Ressourcen umzugehen. Abschließend also einige Anregungen:
- Am nachhaltigsten ist schlicht jene Kleidung, die nicht gekauft wird. Wie bei anderen materiellen Gütern auch, gilt es, auf Klasse statt Masse zu setzen. Vor allem spontane Lustkäufe prüft man sinnvollerweise vorab auf ihre Notwendigkeit.
- Getreu dem Motto „weniger ist mehr“ lohnt es sich, langlebige Kleidung zu kaufen, die sich gut kombinieren lässt.
- Geht man sorgsam mit Kleidung um und pflegt sie gemäß ihrer Etiketten, hält sie länger.
- Kleidung sollte man nicht nicht ohne Grund entsorgen. Kleinere Reparaturen kann man häufig selbst vornehmen und auch kreatives Upcycling boomt. Dinge, von denen man sich dennoch trennen möchte, werden am besten verkauft, gespendet oder verschenkt.
- Im Zweifelsfall setzt man besser auf den persönlichen Geschmack und weniger auf aktuelle Trends.
- Second Hand ist eine Wohltat für Umwelt und Geldbörse. Ob Flohmärkte, spezielle Läden oder Online-Anbieter – an Möglichkeiten mangelt es nicht. Auch Tauschbörsen für Kleidung und Accessoires sind beliebt.
- Was viele Menschen gar nicht wissen: Kleidung, die nur selten benötigt wird (z.B.: Abendgarderobe oder Hochzeitsoutfit), kann man bei Bedarf mieten.