Vor dreizehn Jahren eroberten Smartphones unseren Alltag, heute bereiten sie Neurowissenschaftlern Sorge. Exzessive Nutzung von Smartphones und anderen digitalen Medien verleitet uns nämlich zu permanentem Multitasking. Und dafür ist unser Gehirn einfach nicht ausgelegt. Solche Überforderung kann uns fahrig, unkonzentriert und mitunter sogar aggressiv machen. Die Furcht, etwas zu verpassen, quält uns ebenso sehr wie Reizüberflutung und Isolation.
Die Gegenbewegung zum ständigen Onlinesein? Digital Detox! Medienverzicht als „neuer“ Trend ist in aller Munde. Mit Hilfe einer digitalen Diät wird laufender Medienkonsum drastisch reduziert. Überall auf der Welt finden sogenannte Digital Detox Camps zahlfreudige Teilnehmer. Doch ist solch eine Radikaldiät überhaupt nachhaltig von Erfolg gekrönt? Und wie könnten Alternativen aussehen?
Digital Detox: Wir lassen uns vom Leben ablenken
Sagenhafte 88 Mal am Tag greift der deutsche Durchschnittsbürger zu seinem Smartphone. Das belegte die Forschergruppe rund um Alexander Markowetz, Informatiker an der Uni Bonn. Via App wurde das Verhalten von insgesamt 60.000 Personen aufgezeichnet. Im Klartext bedeutet das: Im Schnitt lassen wir uns alle 18 Minuten vom Smartphone ablenken. Unsere intelligenten Telefone machen unablässig auf sich aufmerksam und versorgen uns mit Notwendigem und Unnötigem gleichermaßen. Die Furcht, etwas zu verpassen, ist so allgegenwärtig, dass sie mittlerweile sogar einen eigenen Namen erhalten hat: FOMO – fear of missing out.
Wir befinden uns in ständiger Alarmbereitschaft, ohne uns dessen überhaupt in all seiner Konsequenz bewusst zu sein. Jedes Mal, wenn wir unser Smartphone entsperren, unterbrechen wir unser analoges Leben. Mails, Soziale Netzwerke oder aktuelles Weltgeschehen to go – unser Gehirn wird beständig mit Informationen gefüttert und auf diese Weise gnadenloser Überforderung ausgesetzt. Während langfristige Resultate eines solchen Medienkonsums noch wenig abschätzbar sind, lassen sich kurzfristige Folgen deutlich erkennen. Nicht zuletzt aus diesem Grund streben immer mehr Menschen danach, ihre Mediennutzung zu reduzieren. Digital Detox boomt! Paradoxerweise sogar in den digitalen Netzwerken selbst.
Medienkonsum reduzieren: Darum macht das Sinn
Sie blinken, piepsen und machen unmissverständlich auf sich aufmerksam: neue Medien. So wie man früher Briefmarken sammelte, sammelt man heute Likes. Langeweile zwischendurch? Gibt es (zumindest vordergründig) längst nicht mehr, ist doch das Smartphone jederzeit einsatzbereit.
Ob Mediennutzung tatsächlich ein explizites Suchtverhalten schüren kann, wie wir es beispielsweise von klassischen Rauschmitteln kennen, dazu gibt es noch keine statistisch relevanten Zahlen. Was sich aber mit Gewissheit sagen lässt: Digitale Medien wirken auf unser Belohnungssystem im Gehirn und sorgen – zumindest für kurze Zeit – dafür, dass wir uns wohlfühlen und unser Verhalten wiederholen.
Genau das ist es jedoch, was auf Dauer zu Problemen führt. Unser Gehirn ist auf solch mannigfaltigen Medienkonsum nämlich überhaupt nicht ausgelegt. Die exzessive Nutzung digitaler Medien kostet uns langfristig nicht nur Zeit und Energie, sie versetzt uns darüber hinaus richtiggehend in Stress. In Anbetracht dieser Wirkung ist es nicht weiter verwunderlich, dass aktuell eben eine Tendenz zu beobachten ist, Mediennutzung (wieder) zu reduzieren. Gerade in diesem Zusammenhang stellt die digitale Diät also eine Art Trendbewegung dar.
Smartphone Diät: Permanente Reizüberflutung wirkt sich negativ aus
Die Angst, etwas zu verpassen, permanente Übersättigung mit Informationen sowie ständige Erreichbarkeit – neue Medien fordern uns einiges ab. Unser Gehirn hält diesen aufgezwungenen Multitasking-Modus nicht lange aus. Fehlt dann noch die dringend notwendige Entspannung zwischendurch, lassen Überforderung und Stress nicht lange auf sich warten.
Klassische Folgen exzessiver Nutzung von Smartphone und Co.:
- Stress
- Konzentrationsstörungen
- Gefühl der Überforderung
- Schlafstörungen
- Unruhegefühl, Unausgeglichenheit
- Aggressionen
- Fehleranfälligkeit (z.B. im Job oder im Straßenverkehr)
- Fähigkeit, sich auf etwas zu fokussieren, geht verloren
- Merkfähigkeit schwindet (man bemüht Google, anstatt sich auf sein Gehirn zu verlassen)
- Produktivität sinkt
- Vernachlässigung realer Personen, Vereinsamung, Isolation
Von FOMO zur Smartphone Diät
Die stetige Reizüberflutung durch neue Medien und damit verbundene Überforderung rufen eine Gegenbewegung auf den Plan: Digital Detox! Die Smartphone Diät erfreut sich einer immer größer werdenden Anhängerschaft. Ganz oder gar nicht, so lautet die Devise. Demzufolge wird radikal gefastet. Die Entgiftung von Handy, Internet und Co. wird über mehrere Tage oder auch Wochen durchgezogen – alleine oder in der Gruppe. Nicht selten ergeben sich in Bezug auf Digital Detox richtige Challenges.
Mit Hilfe solcher digitaler Diäten sollen sich Entspannung und Achtsamkeit einstellen. Fortan möchte man sich wieder auf das konzentrieren, was zählt: das tatsächliche Leben, wirkliche Menschen und reale Gefühle. An sich kein unsinniger Gedanke. Nur: Diese radikale Form von Digital Detox ist selten von Erfolg gekrönt. Man kennt das Phänomen von Diäten nur zu gut: Beendet man sie, fällt man rasch wieder in alte Verhaltensmuster zurück. In Bezug auf neue Medien ist das leider nicht anders.
Internetkonsum reduzieren, aber sinnvoll
Digital Detox radikal anzuwenden, bringt meist nur kurzfristigen Erfolg. Über die letzten Jahre haben wir uns viel zu sehr an die ständige Verfügbarkeit digitaler Inhalte gewöhnt. Demnach muss man bei angelernten Verhaltensmustern im Umgang mit Internet, Smartphones und Co. ansetzen, um eine dauerhafte Veränderung bewirken zu können.
Es geht darum, dem Gehirn bewusst Zeiten zu gönnen, in denen es sich entspannen und erholen kann. Außerdem müssen wir wieder lernen, unsere Aufmerksamkeit entsprechend zu steuern, bei einer Sache zu bleiben und uns zu fokussieren. Es geht im Endeffekt also nicht um eine radikale digitale Diät, sondern vielmehr um „low digital“. Darum also, den Umgang mit neuen Medien entsprechend einzuschränken, um im Alltag zu mehr Achtsamkeit zu finden. Nicht die Verbannung digitaler Medien muss Ziel sein, sondern ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang damit.
Smartphone Diät: So klappt Digital Detox
Damit festgefahrene Verhaltensmuster gelöst werden und „low digital“ auch wirklich nachhaltig funktioniert, gibt es einiges, das man in den Alltag einbauen kann. Die besten Tipps für die Auszeit von Smartphone, Tablet, Laptop und Co. haben wir für Sie auf Lager:
Fünf Tipps, um Medienkonsum nachhaltig zu reduzieren
- Das Um und Auf von Digital Detox? Medienfreie Zeiten! Aus den Augen, aus dem Sinn, so lautet die Devise. Wählen Sie bestimmte Zeitfenster, in denen Sie sich auf Ihr analoges Leben konzentrieren. Smartphone, Tablet und Laptop bleiben dann konsequent ausgeschaltet. Das können ein bis zwei Stunden nach Feierabend sein oder auch ein Tag am Wochenende – ganz wie Sie möchten.
- Smartphone-freie Orte helfen maßgeblich dabei, Medienkonsum zu reduzieren. An welchen Orten können Sie auf digitale Medien mit Leichtigkeit verzichten? Im Garten? Im Schlafzimmer? Beim Sport? Probieren Sie es aus! Die Umstellung mag am Anfang eventuell ungewohnt sein, sie wirkt aber nachhaltig.
- Pushnachrichten und Signaltöne abschalten: Der Tipp ist so einfach wie wirkungsvoll: Schalten Sie sämtliche Pushnachrichten und Signaltöne Ihrer digitalen Medien ab. Das reduziert das Gefühl ständiger Alarmbereitschaft und hilft dabei, Abstand zu gewinnen. Auch wenn uns die Gewohnheit etwas anderes weismachen möchte: Es ist nicht notwendig in Echtzeit zu reagieren. Lassen Sie sich ruhig Zeit.
- Greifen Sie öfter auf (analoge) Alternativen zurück und lassen Sie die Geräte abgeschaltet. Der gute alte Wecker, Stadtplan, Handkalender oder das Wörterbuch leisten hervorragende Dienste und trainieren ganz nebenbei unser Gehirn.
- Nehmen Sie sich ebenso bewusst Zeit für digitale Medien wie für das analoge Leben. Balance und Achtsamkeit lauten hier die Zauberwörter. Nur auf diese Weise gönnen wir unserem Gehirn die Entspannung, die es benötigt, um dauerhaft leistungsstark und fokussiert arbeiten zu können.
Auch wenn man es sich so einfach vorstellt: Nach dem Ganz-oder-gar-nicht-Prinzip werden es die wenigsten Menschen schaffen, ihre Mediendiät langfristig durchzuhalten. Das ist zum einen nicht sinnvoll und zum anderen meistens auch gar nicht umsetzbar.
So ist man doch tagtäglich, beispielsweise im Beruf, auf digitale Medien und auch zur Kommunikation im sozialen Umfeld auf Smartphones angewiesen.
Ein bewusster Umgang und das zumindest teilweise Offline-Sein wirken sich jedoch schon sehr positiv auf uns aus. Aller Anfang ist schwer, aber selbst kleine Veränderungen können bereits Großes bewirken, probieren Sie es einfach aus!