Schönere Zähne – Tag für Tag, Löffel für Löffel. Viele Anhänger des „Ölziehens“ oder „Ölkauens“ haben dieses Ziel vor Augen, wenn sie ihr rund zwanzigminütiges Morgenritual im wahrsten Wortsinne „durchziehen“. Zeitverschwendung oder cleverer Zusatznutzen? Wir erklären, was es mit dem ayurvedischen Trend auf sich hat.
Ölziehen hat Tradition
Unter Ölziehen oder einer Ölziehkur verstehen wir einen alternativmedizinischen Ansatz. Dabei nimmt der Anwender einen Schluck Pflanzenöl und lässt ihn bis zu 20 Minuten in der Mundhöhle wirken. Alternative Bezeichnungen sind „Ölkauen“, „Ölschlürfen“ oder „Ölsaugen“. Ihren Ursprung hat die Idee in der traditionellen indischen Medizin, genauer gesagt: im Ayurveda.
Im deutschsprachigen Raum ist diese Form der Mundhygiene seit Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts bekannt, erfreut sich aber besonders in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit.
Denn in der westlichen Welt passt Ölziehen zu den aktuellen Trends: Immer mehr Öle schaffen den Sprung von der Küche ins Bad, von Kochen zu Kosmetik oder Pflege. Hier kommen sie beispielsweise als Haarkur oder Allrounder für schöne Haut zum Einsatz. Durch zahlreiche positive Erlebnisberichte im Internet animiert, nutzen immer mehr Menschen Öle nicht nur für Haut und Haar, sondern auch für die Zähne.
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Ölziehkur für schöne und gesunde Zähne
Rheuma, Kopfschmerzen, Arthrose oder Nierenleiden: Eine Ölziehkur soll gegen vieles helfen – belegt ist dies jedoch nicht. Die Alternativmedizin stützt sich auf die These, dass Ölziehen den Körper von Schlacken befreien und somit „entgiften“ könne. Als vermeintlichen Beweis führen manche die Tatsache an, dass das Öl nach einer Ölziehkur nicht mehr klar, sondern weißlich verfärbt ist. Dies komme von den „entzogenen Schadstoffen“, so das Argument der Entgiftungs-Anhänger.
Tatsächlich resultiert die milchige Farbe von einigen Enzymen im Speichel, die Fette zersetzen. Zudem gibt es weder vertrauenswürdige Nachweise über schädliche Schlacken – der Körper „entgiftet“ sich selbst – noch darüber, dass Ölziehen gegen „Schadstoffe“ helfen könne.
Die Liste an möglichen Einsatzgebieten für Ölziehkuren ist also lang. Doch zu vermuten steht, dass einige Experten den Mund wortwörtlich zu voll nehmen.
Allerdings gibt es eine Ausnahme, die die Wirksamkeit der Öle auf Bakterien betrifft. Denn diese wurde in Studien belegt. Hierbei zeigte sich beispielsweise Sesamöl wirksam – unter anderem gegen Streptococcus mutans. Dieses Bakterium ist im Speichel aller Menschen nachweisbar. Die Konzentration könnte jedoch etwas über das Risiko aussagen, an Karies zu erkranken: Je mehr Bakterien, desto wahrscheinlicher sind Löcher in den Zähnen – so die Theorie. Demnach könnte Ölziehen einen positiven Effekt für die Zahngesundheit haben. Je weniger schädliche Bakterien desto geringer das Risiko für Zahnfleischentzündungen, Zahnbelag und Karies. Darüber hinaus schafft Ölziehen Abhilfe bei Mundgeruch. Viele Anwender bestätigen dies – und berichten zudem von weißeren Zähnen.
Risiken und Nebenwirkungen von Ölziehen?
Ölziehkuren liegen derzeit im Trend – und sind darum wortwörtlich in (fast) aller Munde. Auch zahlreiche Influencer berichten von ihren „Ölziehkur-Erfahrungen“ und tragen zur Bekanntheit der ayurvedischen Methode bei. Diese Trendsetter motivieren viele, eine Ölziehkur auszuprobieren. Grundsätzlich gilt: Wer neugierig ist, kann mit wenig Aufwand selbst herausfinden, ob eine Ölziehkur Erfolge bringt. Nebenwirkungen sind so gut wie keine bekannt – in wenigen Fällen kann es zu leichten Magenproblemen kommen.
Eine wissenschaftliche Veröffentlichung aus dem Jahr 2015 schildert zwei Fälle, bei denen das Einatmen von Öltröpfchen zu einer Lungenentzündung geführt haben soll. Kinder sollten frühestens ab einem Alter von sechs Jahren bei einer Ölziehkur mitmachen – erst dann ist abzusehen, dass sie das Öl nicht schlucken. Personen mit chronischen Erkrankungen fragen im Zweifel ihren Arzt, ob es Einwände gegen das Ölziehen gibt. Schwangere dürfen ebenfalls Ölkauen, wenn sie es vertragen. Viele Frauen werden jedoch aufgrund von Morgenübelkeit zumindest phasenweise nicht von der fettigen Mundspülung profitieren.
Das richtige Öl für die Mundhygiene
Wer eine Ölziehkur für seine Zähne durchführen möchte, hat die Wahl zwischen verschiedenen Ölen. So eignen sich neben den Klassikern Sesam- und Sonnenblumenöl auch Oliven-, Lein-, Raps- und Kokosöl. Aufgrund vorliegender Studien sind vor allem Sesamöl sowie das antimikrobielle Kokosöl zu empfehlen. Mögen sollten Sie es jedoch auch: Entscheiden Sie sich für ein Öl, das Ihnen geschmacklich zusagt. So gestalten Sie sich das Ölziehen möglichst angenehm.
Wählen Sie am besten ein hochwertiges Bio-Öl. Vor allem bei Kokospalmen wird der konventionelle Anbau mehr und mehr zum Problem. Mit kaltgepresstem, naturbelassenem Öl tun Sie nicht nur sich, sondern auch der Umwelt etwas Gutes.
Tipp: Mittlerweile sind in Drogeriemärkten oder Bioläden fertige Mundziehöle erhältlich. Diese bestehen meist aus Mischungen zwischen zwei Ölen und enthalten zudem erfrischende Zusätze wie Minze.
Ölziehen Schritt für Schritt
Sie haben Lust, auszuprobieren, ob beispielsweise Kokosöl Zahnfleisch und Zähne positiv beeinflusst? Hier folgt ein Leitfaden, mit dem jeder Interessierte das Ritual in seine Morgenroutine einbauen kann.
- Der richtige Zeitpunkt: Eine Ölziehkur sollten Sie immer morgens durchführen. Verzichten Sie vorher auf jegliche Flüssigkeitsaufnahme.
- Die Vorbereitung: Beste Voraussetzung für das Ölziehen bietet eine Zungenreinigung mit einem speziellen Zungenschaber. Er entfernt Beläge, regt die Durchblutung der Zunge an und bereitet den Körper auf das Ölschlürfen vor. Prothesenträger sollten vor dem Ölziehen ihre Prothese entfernen.
- Beginn des Ölziehens: Nehmen Sie einen Esslöffel des gewählten Öls in den Mund und lassen Sie es auf der Zunge zergehen.
- Dauer der Ölziehkur: Nun ist Geduld gefragt. Behalten Sie das Öl mindestens 20 Minuten lang im Mundraum. Ziehen Sie es immer mal wieder durch die Zahnzwischenräume und führen Sie Kaubewegungen durch. So gelangt das Öl in sämtliche Zahnfleischtaschen. Nicht erwünscht sind Gurgeln oder Schlucken des Öls.
- Nach der Ölziehkur: Schlucken sollten Sie nichts – schließlich möchten Sie die Bakterien aus Ihrem Körper hinausbefördern. Spucken Sie das überschüssige Öl darum in ein Taschentuch. Entsorgen Sie das Öl nicht in den Abfluss, sondern am besten über den Hausmüll. Das Öl kann im Abfluss zu Verstopfungen führen. Zudem sind in den Kläranlagen große Mengen an Tensiden nötig, um durch Öl verunreinigtes Wasser wieder zu klären.
- Weitere Zahnhygiene: Nach der Ölziehkur kommt das Zähneputzen. Reinigen Sie die Zähne und Zahnzwischenräume wie gewohnt mit Zahnbürste und Zahnseide. Grundsätzlich gilt: Eine Ölziehkur ersetzt in keinem Fall das Zähneputzen, sondern kann dies lediglich ergänzen.
Was sagt die Forschung zum Ölziehen?
Ölziehen hat eine lange Tradition – doch was sagt die moderne Forschung dazu? Aktuell liegen verschiedene Studien rund um das Thema Ölziehen vor – insbesondere zu einer möglichen positiven Wirkung auf die Zähne. Allerdings weisen viele davon Mängel auf, so dass die Ergebnisse nicht auf die Allgemeinheit zu übertragen sind.
Eine wissenschaftliche Zusammenfassung bisher vorliegender Studien kommt zu dem unbefriedigenden Schluss: Ölziehen könnte einen positiven Effekt auf die Zahngesundheit haben. Sicher belegen lässt sich dies erst mit weiteren Studien. Auch die Reduzierung der Karies verursachenden Bakterien ist umstritten. Denn die Anzahl der im Mundraum vorzufindenden Bakterien variiert auch bei Einzelpersonen.
Unser Tipp: Wenn Ihnen das Konzept zusagt, starten Sie nach der nächsten professionellen Zahnreinigung mit regelmäßigen Ölziehkuren. Hat Ihr Dentalhygieniker frühestens sechs Monate später weniger Arbeit, profitieren Sie vermutlich von Kokosöl und Co. für gesündere Zähne.
Zahnhygiene für Experimentierfreudige
Ein Wundermittel ist eine Ölziehkur nicht: Zahnbürste, Zahnseide und die regelmäßige Reinigung beim Zahnarzt bleiben Pflichtprogramm für schöne, gesunde Zähne.
Auch die richtige Zahnpasta trägt einen wichtigen Beitrag hinsichtlich der Zahn- und Mundgesundheit.
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Doch wer experimentierfreudig ist, kann dem Ölschlürfen eine Chance geben. Die Kosten sind gering, der Aufwand hält sich in Grenzen. Manche nutzen die Zeit des Ölschlürfens für gemütliches Zeitungslesen oder einige Yoga-Übungen. Einmal in die morgendliche Routine eingebettet, berichten viele Anwender von einem besseren Mundgefühl.
Allerdings sollten Sie die Ölziehkur regelmäßig durchführen, damit ein Effekt für die Zahngesundheit erlebbar ist. Der regelmäßige Besuch beim Zahnarzt lässt sich dadurch allerdings nicht ersetzen.