Träume faszinieren die Menschen seit jeher. Denn während wir tief und fest schlummern, leistet unser Hirn Schwerarbeit – und schickt uns auf abenteuerliche Reisen. Gegen Drachen kämpfen, Wunder vollbringen oder nackt auf der Familienfeier erscheinen – für den Supercomputer in unserem Kopf gilt: Die Fantasie kennt keine Grenzen. Eine Brücke zwischen Traumfantasien und Realität bildet das luzide Träumen. Doch nicht jeder macht diese besondere Erfahrung. Erhalten Sie im Folgenden Informationen und Tipps rund um die außergewöhnlichen Schlaferlebnisse.
Was ist luzides Träumen?
Unter luziden Träumen verstehen wir Träume, bei denen der Schläfer sich darüber bewusst ist, dass er träumt. Das Adjektiv „luzide“ kommt dabei vom lateinischen „lux“ für Licht, es sind also „erleuchtete Träume“. Deutschlands berühmtester Klartraumforscher Paul Tholey (1937-1998) brachte es auf den Punkt: „Das Traum-Ich vergisst, das Schläfer-Ich nicht.“ Ist das Bewusstsein im normalen Schlaf weitgehend heruntergefahren, ist es während eines Klartraums aktiver – wenn auch nicht im gleichen Maße wie während des Wachseins. Der Klartraum bildet somit die Eintrittspforte zu einer Bewusstseinsebene zwischen Traum und Wachsein. Dabei entwickeln sich einige Schlafende vom wissenden Zuschauer zum Regisseur: Sie können luzide Träume bewusst steuern.
Vorteile von Klarträumen
Wer nachts schweißgebadet aus einem Albtraum aufwacht, weiß, wie belastend Träume sein können. Doch Klarträumer sind sich darüber bewusst, dass sie sich in einem Albtraum befinden – mit etwas Übung können sie ihn gelassener erleben. Noch einfacher ist es für Klarträumer, die die Zügel selbst in die Hand nehmen. Denn sie können den Ereignissen eine neue Richtung geben. Sich zum Beispiel im freien Fall Flügel wachsen lassen und die Landschaft erkunden. Oder einem blutrünstigen Monster ein Stück Pizza reichen, um sich mit ihm anzufreunden. So verlieren düstere Nachtmahre ihren Schrecken – und können sogar Spaß machen.
Wenn luzide Träumer bewusst steuern, was sie erleben, können sie Lerneffekte generieren. Über Lernen und Trainieren im Schlaf hat unter anderem der in Bern lehrende Sportwissenschaftler Prof. Dr. Daniel Erlacher geforscht und einiges mit ermutigenden Resultaten selbst ausprobiert. Auch Paul Tholey berichtete, das Training im Traum habe ihm beispielsweise beim Snowboardfahren geholfen. Studien zeigen, dass Personen, die im Klartraum Bewegungsabläufe trainieren, Fortschritte gegenüber Nicht-Klarträumern erreichen. Mit den „Wach-Trainierenden“ können sie jedoch nicht mithalten.
Nach Klarträumen fühlen sich außerdem viele Menschen besonders ausgeruht – sie können also die Schlafqualität steigern. Und last but not least: Luzides Träumen kann großen Spaß machen! Wer seine Träume sogar steuert, kann spannende Abenteuer ohne negative Gefühle erleben. Ein weiteres Plus: Es sind keine Nachteile oder Risiken bekannt. Einzig der Weg in die besondere Bewusstseinsebene kann steinig sein, so dass Menschen mit Schlafstörungen oder psychischen Problemen sich nicht unbedacht ins Abenteuer Klartraum stürzen sollten.
Wie häufig sind Klarträume?
Kinder träumen häufiger luzid als Erwachsene. Nach dem 14. Lebensjahr sind Klarträume seltener. Forscher bringen dies damit in Zusammenhang, dass das Frontalhirn erst ab diesem Zeitpunkt ausgereift ist. Das Frontalhirn ist als „Sitz der Persönlichkeit“ unter anderem für das Einschätzen von Situationen zuständig. In einer normalen REM-Phase ist dort wenig los. Doch bei einem Klartraum ist in diesem Hirnareal viel in Bewegung. Rund die Hälfte aller Erwachsenen gab in einer britischen Untersuchung an, mindestens einmal einen Klartraum erlebt zu haben. Regelmäßig kommt jedoch nur einer von fünf Menschen in diesen Genuss.
Nicht immer sind bewusste Träume „Klarträume“. Zum Beispiel können Meditierende vom Wachsein zum bewussten Träumen übergehen. Oft handelt es sich dabei jedoch um einen „Tagtraum“, weil die Person nicht schläft. Doch abschließende Erkenntnisse darüber gibt es nicht. Parallel hierzu sprechen Beobachtungen dafür, dass Menschen, die ihre Aufmerksamkeit gezielt fokussieren – zum Beispiel durch Meditieren – Traumhandlungen besser kontrollieren können.
Luzides Träumen erlernen
Es gibt viele verschieden Varianten und Vorschläge rund ums Eintauchen in Klarträume. Wir stellen drei Methoden für das „traum-induzierten luziden Träumen“ vor. Hierbei wird sich der Schlafende während eines Traums darüber bewusst, dass sich die Ereignisse nur in seinem Kopf abspielen:
Die Frage: „Ist das wirklich wahr?“
Kaum jemand kommt im Traum ohne Übung auf diese Frage. Das Üben findet im wachen Zustand statt. Fragen Sie sich, wann immer es Ihnen einfällt: „Träume ich gerade?“ und machen Sie sich bewusst auf die Suche nach Widersprüchen. In der Realität werden Sie kaum auf solche stoßen. Doch entscheidend ist, dass Ihr Geist kritischer wird. Sie gewöhnen sich an die regelmäßige Frage, bis Sie sie auch im Traum stellen.
„Wake back to bed“
Wenn Sie normalerweise sieben bis acht Stunden schlafen, stellen Sie den Wecker auf zirka fünf Stunden nach dem Einschlafen. Er klingelt und nach einer kurzen Wachzeit – im Idealfall maximal 5 Minuten – schlummern Sie wieder ein. Das Aufwecken soll Klarträume begünstigen. Bei einer Variante hiervon ist der Schlaf nicht nur für 5 Minuten, sondern für eine volle Stunde zu unterbrechen. Anschließend soll die Empfänglichkeit für Klarträume besonders ausgeprägt sein. Zugegeben: Wer Schlafprobleme hat, sollte mit dieser Methode vorsichtig umgehen.
Merkspruch („Mnemonische Induktion“)
Einfach, aber wirkungsvoll: Der amerikanische Psychologe und Klartraum-Forscher Stephen LaBerge empfahl, sich vor dem Einschlafen mehrfach einzuprägen: „Wenn ich träume, werde ich mich daran erinnern, dass ich träume.“
Eine Kombination aller drei Methoden soll zu einer deutlichen Erhöhung der Klartraum-Rate führen.
Manche Schlafforscher empfehlen die „WILD“-Methode, wobei „WILD“ für „Wake Initiated Lucid Dream“ steht, also für wach-induziertes luzides Träumen. Hierbei konzentrieren sich die potenziellen Klarträumer vor und während des Einschlafens auf ihr Bewusstsein und stellen die „Realität“ kritisch infrage.
Weitere Tipps für luzides Träumen
- Verzicht auf Alkohol
- Verzicht auf Schlaftabletten
- regelmäßige Schlafzeiten
- mindestens sieben Stunden schlafen
- ein Traumtagebuch führen
- sinnliche Traumerinnerung („was habe ich gerochen/gehört/gespürt?“) trainieren
Wie lange dauert es bis zum ersten Klartraum?
Wer regelmäßig übt, kann mit etwas Glück bereits nach wenigen Tagen oder Wochen erste Erfolgserlebnisse im Schlaf sammeln. Eine Garantie dafür, Klarträumen zu lernen, gibt es allerdings nicht. Während manche Menschen mit etwas Training alle paar Tage luzide Träume erleben, bleiben sie für andere – ein unerreichbarer Traum. Ist der Klartraum wahr geworden, kann nicht jeder die Erlebnisse im Schlaf beeinflussen. Viele erleben den Traum zwar in dem Bewusstsein, dass er nicht real ist. Doch es bleibt ihnen nur: zurücklehnen und genießen. Auch viel Training kann ihnen nicht dazu verhelfen, im Traum ihr Golf-Handicap zu verbessern. Oder sich in einen Superhelden zu verwandeln, der hilflose Drachen vor blutrünstigen Jungfrauen rettet.
Luzides Träumen in der Forschung
Bei „luzidem Träumen“ schwingt für viele Esoterik mit. Die Wissenschaft beschäftigt sich jedoch schon lange mit diesem Thema. Im 19. Jahrhundert veröffentlichte der Klartraumpionier Léon d’Hervey de Saint-Denys ein Buch darüber. Bereits seit seinem 13. Lebensjahr schrieb er seine Träume auf und erlangte nach und nach Kontrolle über sie.
Erste wissenschaftliche Beweise für die luziden Erlebnisse blieben jedoch bis in die 1970er Jahre aus. Damals konnten Traumforscher um Stephen LaBerge Klarträume nachweisen. Denn die vorher instruierten Probanden führten während der REM-Phase und innerhalb eines Klartraums definierte Augenbewegungen durch. Auch heute versuchen Forscher auf der ganzen Welt herauszufinden, wie Klarträume zuverlässig provoziert werden können. Es besteht hier noch viel Aufklärungsbedarf.
Denn die Klartraum-Forschung steht heute wie damals unter anderem vor der Herausforderung, Probanden zu finden, die regelmäßig und vorhersehbar Klarträume haben. Nur rund ein Prozent der deutschen Bevölkerung, so Schätzungen, ist dazu in der Lage. Dies macht die Forschung schwierig. Doch Erkenntnisse rund um Klarträume könnten dabei helfen, Krankheiten zu therapieren. Beispielsweise könnten sie einen Schlüssel zur Behandlung von Schizophrenie mit sich bringen. Denn dass sich bei Klarträumen das „höhere Bewusstsein“ einschaltet, könnte bei dieser Erkrankung, bei der sich der Patient auf einer traumähnlichen Bewusstseinsebene befindet, helfen.
Lese-Tipp: Daniel Erlacher hat einige Bücher zum Thema geschrieben, die sich auch an interessierte Laien wenden: „Anleitung zum Klarträumen“, „Motorisches Lernen im luziden Traum“ und „Sport und Schlaf“.