Niedriger Blutdruck – Ursachen und Risiken

Unter der Norm: der niedrige Blutdruck (Hypotonie)
Die meisten wissen: Bluthochdruck (Hypertonie) gilt ebenso wie zu viel Bauchfett, Diabetes oder hohe Cholesterinwerte als Risikofaktor für schwere Folgeerkrankungen: Herzinfarkt oder Schlaganfall drohen. Aber wie gefährlich ist ein zu niedriger Blutdruck? Wir haben die wichtigsten Informationen rund um Hypotonie für Sie zusammengestellt.

Blutdruckwerte und ihre Bedeutung

Ob Routineuntersuchung beim Hausarzt oder Einweisung in eine Klinik: Oft geht’s zuerst um den Blutdruck. Die gemessenen Blutdruck-Werte bezeichnen Experten auch als „RR-Werte“. Benannt sind diese nach Scipione Riva-Rocci, einem italienischen Arzt, der 1896 die unblutige Messung des Blutdrucks mittels Manschette und Barometer erfand. Der Blutdruck bildet einen wichtigen Maßstab, um den gesundheitlichen Zustand eines Menschen zu beurteilen. Sein Ursprung liegt im Herzen, das ähnlich einer Pumpe wirkt und hierdurch das Blut mit der ausreichenden Kraft durch die Arterien treibt. So wirkt der Blutdruck zentral im menschlichen Körper und versorgt die Zellen mit Sauerstoff, indem er das Blut durch die Gefäße befördert.

Systolische und diastolische Blutdruckwerte

Bei dem Druck, den das Blut auf die Blutgefäße ausübt, unterscheiden wir zwischen systolischem und diastolischem Blutdruck.
Der systolische Blutdruck entsteht durch die Kontraktion der linken Herzkammer und ist immer deutlich höher als der diastolische Blutdruck. Bei letzterem handelt es sich um den Druck, der bei der Erschlaffung (Diastole) des Herzmuskels „übrigbleibt“. In diesem diastolischen Zustand füllen sich die Herzkammern wieder mit Blut aus den Vorhöfen. Dieses Blut wird wiederum bei der nächsten Kontraktion (Systole) ins Gefäßsystem gepumpt. Der systolische Druck liegt bei Gesunden um 110-130 mmHg.
Der diastolische Blutdruck ist somit der niedrigste RR-Wert im Gefäßsystem. Alle Gefäße sind diesem Wert laufend ausgesetzt. Der diastolische Blutdruck versorgt die die Herzkranzgefäße (Koronararterien) mit Sauerstoff. Denn wenn die Herzmuskeln sich während der Systole kräftig zusammenziehen, setzt für einen kurzen Moment die Durchblutung in den Koronararterien aus. Erschlafft aber die Herzmuskulatur sofort hiernach, fließt das Blut wieder und versorgt Herzkammern und Koronararterien mit Sauerstoff. Der diastolische Druck liegt im Normbereich zwischen 80-89 mmHg.

Zu hoch, zu niedrig? Blutdruckwerte einordnen

Wenn die Kraft des Blutdrucks zu hoch wird, können die Gefäße Schaden nehmen, die Folgeerkrankungen verursachen. Ist die Kraft zu gering, ist die Versorgung des Körpers mit ausreichend Sauerstoff in Gefahr. Aber wann ist der Blutdruck zu niedrig, wann zu hoch? Hierüber gibt es einige Kontroversen. Teils gelten Werte unter 120/80 mmHg als „optimal“. Liegen die Blutdruckwerte jedoch regelmäßig bei 105/65 mmHg oder tiefer – manche Experten nehmen 100/60 mmHg als Richtwerte – liegt ein (zu) niedriger Blutdruck vor.
Obwohl sie ungefährlicher sind als zu hohe Blutdruckwerte, sind dauerhaft zu niedrige oder schnell absackende Werte nicht mehr „optimal“ und können zu Beschwerden führen.

Ursachen für zu niedrigen Blutdruck

Am häufigsten liegt ein niedriger primärer Blutdruck, also ein niedriger Blutdruck ohne erkennbare Ursachen vor. Ein großer Teil der hiervon betroffenen Personen sind schlanke, junge Menschen, meist Frauen – zum Beispiel in der Schwangerschaft oder in der Pubertät – sowie ältere, schlanke Menschen. Der niedrige Blutdruck ist dann konstitutionell bedingt, teils findet man erbliche Faktoren: Schon bei einem Elternteil trat ein niedriger Blutdruck auf.
Wenn ein niedriger Blutdruck jedoch auf bestimmte Ursachen zurückzuführen ist, spricht man von einer sekundären Hypotonie. Sie ist in seltenen Fällen ein Anzeichen für eine Erkrankung. Beispiele hierfür sind Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, eine Schilddrüsenunterfunktion oder eine Venenschwäche.
Auch tritt ein niedriger Blutdruck bei einer starken Abnahme der Blutmenge im Körper auf. Denn er resultiert aus einem zu geringen Füllungsvolumen der Gefäße. Zum Beispiel bei:

  • hohem Fieber
  • starkem Durchfall oder Erbrechen
  • nicht ausreichender Wasserzufuhr
  • Verbrennungen
  • schweren Blutungen

Niedriger Blutdruck kann auch als Nebenwirkung einiger Arzneimittel entstehen, zum Beispiel bei harntreibenden und gefäßerweiternden Arzneimitteln. In den ersten sechs Monaten einer Schwangerschaft ist er ebenfalls üblich. Der Gynäkologe prüft den Blutdruck regelmäßig bei den Vorsorgeuntersuchungen.

Ist Ihnen schon einmal kurz nach dem Aufstehen schwarz vor Augen geworden? Hierbei handelt es sich um eine Sonderform der gestörten Blutdruckregulation: den niedrigen orthostatischen Blutdruck. Er kann etwa bei zu schnellem Aufstehen aus dem Liegen auftreten oder bei längerem Stehen. Das Blut sackt in die Beine und steht dem Gehirn für einen kurzen Zeitraum nicht zur Verfügung. Auch kann der orthostatische Blutdruck in Stresssituationen oder in stark erhitzten Räumen vorkommen.

Wie gefährlich ist Hypotonie?

Bei niedrigem Blutdruck werden die Gefäße nicht ausreichend durchblutet. Das klingt ernst, ist in der Regel aber kein Problem. Hypotonie ist meist weit ungefährlicher als Hypertonie. Doch es gibt bestimmte Risikogruppen, für die ein zu niedriger Blutdruck gefährlich sein kann. Hierzu zählen Personen mit Herzschwäche oder Herzrhythmusstörungen.
Bei einer Covid-19-Infektion beispielsweise, haben Menschen mit Herzkreislauferkrankungen ein größeres Risiko für eine schwere Verlaufsform. Aktuelle Studien zeigen: Vor allem Nierenschäden steigern das Sterblichkeitsrisiko. Diese wiederum hängen in den beschriebenen Fällen mit zu niedrigem Blutdruck und einer Vorgeschichte von zu hohem Blutdruck zusammen. Covid-19-Patienten in Blutdruckbehandlung sollen daher die blutdrucksenkenden Medikamente nach ausdrücklicher Rücksprache mit ihrem Arzt reduzieren oder absetzen und gut auf sich aufpassen.

Achtung: Von Hypertonie zu Hypotonie

Patienten mit Hypertonie, die regelmäßig blutdrucksenkende Arzneimittel nehmen müssen, sollten bei Temperaturen über 25°C ihre Medikamente nach ärztlicher Rücksprache anpassen. Denn die Hitze erweitert ihre Blutgefäße – und der Blutdruck sinkt.
Leidet man an hohem Blutdruck, der medikamentös beherrscht wird, und treibt ausreichend Sport, kann es vorkommen, dass der Blutdruck in der anschließenden Ruhephase plötzlich stark fällt. Das Risiko hierfür steigt, wenn man vor dem Training viel gegessen hat. Betroffene sollten locker ein paar Minuten spazieren gehen, wenn sie sich noch gut fühlen. Ansonsten sollten sie sich ausruhen.

Hypotonie-Symptome

Die Symptome für (zu) niedrigen Blutdruck sind vielfältig und oft nicht eindeutig zuzuordnen. Viele Betroffene fühlen sich müde und matt. Es fällt ihnen zunehmend schwer, den Alltag zu meistern. Weitere Symptome können sein:

  • Benommenheit
  • Schwindel
  • leichtes Schwitzen
  • Blitze und Farben oder ein Flimmern vor den Augen
  • Zittern
  • trockener Mund
  • Kraftlosigkeit
  • kurze Ohnmachten

Wer unter diesen Symptomen leidet, sollte seinen Blutdruck regelmäßig messen – und einen Arzt aufsuchen. Eine Ohnmacht dient übrigens in diesem Fall auch einem praktischen Zweck: Sie bringt den Körper in Flachlage und sorgt dafür, dass sich das Blut wieder in die lebenserhaltenden Gefäße und Organe verteilt. Dadurch erreicht man wieder das volle Bewusstsein. Allerdings ist die Sturzgefahr nicht zu unterschätzen – es drohen Kopfverletzungen und Knochenbrüche.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn leichte Hypertonie-Beschwerden öfter auftreten oder den Alltag einschränken, sollten Sie einen Termin beim Hausarzt vereinbaren. Er wird den Blutdruck einmalig oder mehrfach in Ruhe messen. Gegebenenfalls wird er einen sogenannten Schellong-Test durchführen. Dabei liegt der Patient ungefähr fünf bis zehn Minuten ruhig. Jede Minute wird der Puls und der Blutdruck während dieser Zeit gemessen und notiert. Danach soll der Patient schnell aufstehen und rund fünf bis zehn Minuten – weitere Blutdruckmessungen inklusive – stehen bleiben. Bei Gesunden ist im Stehen eine leichte Zunahme der Herzfrequenz zu verzeichnen. Der niedere (systolische) Blutdruck bleibt gleich oder sinkt zeitweise um bis zu 20 mmHg ab. Der diastolische Blutdruck steigt um maximal 15 mmHg an oder fällt um bis zu 10 mmHg.
Deuten die Ergebnisse auf eine Erkrankung hin, wird der Arzt weitere Maßnahmen anordnen. Hierzu gehören möglicherweise Blutuntersuchungen, Ruhe- und Belastungs-EKG sowie eine 24-Stunden-Blutdruckmessung. Bei der 24-Stunden-Messung misst eine Blutdruckmanschette samt kleinem Aufnahmegerät am Gürtel in Abständen von 30 bis 60 Minuten automatisch den Blutdruck. Nach 24 Stunden kann der Arzt die Ergebnisse auswerten und sich so ein genaueres Bild über den Blutdruck im Tagesverlauf machen.
Sind Sie wegen Bluthochdruck in ärztlicher Behandlung und vermuten einen zu niedrigen Blutdruck infolge der Medikation, sprechen Sie mit dem behandelnden Arzt über die neuen Symptome. Ist ein schwerer Sturz nach einer Ohnmacht aufgetreten, sollten Sie den Unfallarzt unverzüglich darüber unterrichten, dass Sie einen Blutdruckabfall vermuten. Nennen Sie ihm alle Medikamente, die Sie eingenommen haben.

Muss eine Hypotonie behandelt werden?

Unser Blutdruck schwankt ständig: Bei Sport oder Aufregung steigt er, nachts wechselt er bei gesunden Menschen in die tieferen Bereiche. Wenn keine belastenden Kreislaufbeschwerden auftreten, ist ein niedriger Blutdruck in Ordnung – und in den meisten Ländern gar nicht als Erkrankung anerkannt. Steckt eine Erkrankung oder ein Blutverlust hinter dem Symptom, sind die Ursachen natürlich zu behandeln. Ansonsten helfen in den meisten Fällen folgende Tipps:

Was hilft bei niedrigem Blutdruck?

  • auf ein gesundes Körpergewicht achten
  • Verzicht auf Nikotin
  • ausreichend trinken
  • Alkohol und Kaffee nur in Maßen
  • Wechselduschen, Anwendungen nach Kneipp
  • Bewegung im Arbeitsalltag einbauen
  • Sport, vor allem moderates Ausdauertraining wie Joggen, Wandern, Nordic Walking
  • regelmäßig Blutdruck messen und bei Hyper- oder Hypotonie ein Blutdrucktagebuch anlegen

Nur in schweren Fällen verschreiben Ärzte bei niedrigem Blutdruck Medikamente. Hierzu gehören Sympathomimetika, die den Druck in Arterien und Venen steigern. Allerdings können unangenehme Nebenwirkungen wie Herzklopfen und Unruhe auftreten. Bei orthostatischer Hypotonie können vereinzelt Alpha-Adrenozeptor-Agonisten zum Einsatz kommen.