Nahrungsergänzungsmittel: gesundes Extra oder Geldmacherei?

Der Markt mit Nahrungsergänzungsmitteln boomt. Rund ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland – greift regelmäßig zu Pülverchen, Kapsel und Co., um fitter, schöner oder gesünder zu werden. Doch können Nahrungsergänzungsmittel diese Versprechen einlösen oder handelt es sich nur um eine clevere Geschäftsidee?

Was sind Nahrungsergänzungsmittel?

Der Name ist Programm: Nahrungsergänzungsmittel (kurz: NEM) sollen die Nahrung im Idealfall sinnvoll ergänzen. Sie versorgen den Körper mit einem Plus an Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen oder ungesättigten Fettsäuren. Das Angebot ist groß und reicht von natürlichen Nahrungsergänzungsmitteln wie Fischöl-Kapseln mit Omega-3-Fettsäuren über Brausetabletten mit Magnesium bis hin zu Pillen, die den kompletten täglichen Bedarf an Vitaminen und Mineralstoffen decken. Im Unterschied zu von Behörden zugelassenen Arzneimitteln unterliegen Nahrungsergänzungsmittel dem Lebensmittelrecht. Das bedeutet, dass die Hersteller anders als bei Arzneimitteln keine klinischen Studien durchführen müssen, um die Wirksamkeit der Produkte zu belegen. Sie müssen „sicher“ sein, dürfen also der Gesundheit nicht schaden. Die Verantwortung hierfür liegt bei den herstellenden Unternehmen.

Die richtige Einnahme

Nahrungsergänzungsmitteln liegen Verzehrempfehlungen bei, die zu beachten sind. Gesunde Menschen brauchen die Einnahme nicht mit ihrem Arzt abzustimmen. Allerdings gilt keinesfalls die Devise „viel hilft viel“. Im Gegenteil: Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht überdosiert werden. Wer mehrere Präparate einnimmt, beispielsweise „Haar-Vitamine“ und eine Kombination für ein starkes Immunsystem, sollte darauf achten, dass kein Inhaltsstoff in beiden vorkommt, um die Tagesdosis nicht zu überschreiten. Insbesondere bei fettlöslichen Vitaminen ist es wichtig, eine Überdosierung zu vermeiden. Im Gegensatz zu wasserlöslichen Vitaminen, die bei Überdosierung über den Urin aus dem Körper geschleust werden, reichern sich fettlösliche Vitamine im Körper an und können gesundheitliche Beschwerden verursachen.

Wann sind Nahrungsergänzungsmittel nützlich?

Eins vorweg: Die Mehrheit der Menschen benötigt keine Nahrungsergänzungsmittel, um gesünder oder fitter zu werden. Wer sich ausgewogen ernährt und regelmäßig an der frischen Luft bewegt, versorgt seinen Körper mit allem, was er braucht. So deckt bereits eine halbe rote Paprika den Tagesbedarf an Vitamin C – wer braucht da noch Vitamintabletten? Auch aus Sicht des Bundesinstituts für Risikobewertung sind Nahrungsergänzungsmittel für die meisten Menschen überflüssig und meist nur Geldmacherei. Allerdings gibt es Ausnahmen, bei denen ein Plus in Pulver- oder Tablettenform hilfreich sein kann:

Folsäure bei Kinderwunsch und Schwangerschaft

Jede Frau mit Kinderwunsch sollte Folsäure einnehmen. Ein ausgewogener Folsäure-Speicher verhindert Missbildungen des Embryos in der Frühschwangerschaft. Durch Folsäure-Mangel hervorgerufene Neuralrohr-Defekte können in einem offenen Rücken oder Totgeburten münden. Die Empfehlung liegt bei 400 Mikrogramm als Nahrungsergänzung pro Tag. Für einen überschaubaren Zeitraum sind Kombi-Präparate, die neben Folsäure auch andere Vitamine und Mineralstoffe enthalten, eine Alternative zu reinen Folsäure-Tabletten und ein wichtiges und unverzichtbares Extra in der Schwangerschaft.

Weitere Informationen zur Nahrungsmittelergänzung bei Kinderwunsch

Vitamin B12 bei veganer Ernährung und im Alter

Veganer verzichten auf tierische Lebensmittel, also Fleisch, Fisch und Milchprodukte sowie Eier. Bei ihnen kann es bei einer nicht entsprechend ausgewogenen Ernährung zu einem Vitamin-B-12-Mangel kommen. Veganer und Vegetarier, die kaum Milchprodukte zu sich nehmen, sollten alle paar Jahre eine Blutprobe bezüglich Vitamin B12 bei ihrem Hausarzt erbitten. Dies gilt ebenfalls für Senioren: Denn im Alter kann es – beispielsweise durch Störungen der Magenschleimhautfunktion – zu einer geringeren Aufnahmefähigkeit von Vitamin B12 kommen.

Im Trend: Vitamin D

Das Sonnenvitamin liegt derzeit im Trend. Wer zu wenig hat, kommt müde und abgespannt durch den Winter, die Laune sinkt und auch das Immunsystem wird geschwächt. Darum sind Vitamin-D-Ergänzungspräparate sehr beliebte „Muntermacher“. Im Sommer gesammeltes Vitamin D bringt uns über den Winter, zusätzlich können wir es zumindest in kleinen Mengen über die Nahrung als fettlösliches Vitamin aufnehmen.

Dennoch haben viele Menschen einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel. Denn nicht immer reicht das Sonnenlicht aus, um unsere Vitamin-D-Speicher zu füllen. Im Winter liegt dies ganz einfach an der geringen Zahl an Sonnenstunden aber auch im Sommer blockieren beispielsweise Lichtschutzprodukte die Aufnahme von Vitamin D.
Meist wird der Vitamin-D-Mangel dann erst im Winter deutlich. Auch die im Alter abnehmende Fähigkeit zur Synthese von Vitamin D aus Sonnenlicht sollte berücksichtigt werden. Doch vor der oralen Einnahme von Vitamin D sollte ein Arzt nach einer entsprechenden Blutuntersuchung grünes Licht geben. Denn ein Zuviel des Sonnenvitamins kann Schäden in Form von Kalkablagerungen in Gefäßen und Organen nach sich ziehen.

Weitere Informationen zur Einnahme von Vitamin D

Nahrungsmittelergänzung bei chronischen Krankheiten

Wer regelmäßig aufgrund einer chronischen Erkrankung Arzneimittel einnimmt, sollte mit seinem Arzt sprechen, bevor er Nahrungsergänzungsmittel auf den täglichen Speiseplan setzt. Dabei steht nicht nur der mögliche Nutzen im Fokus. Auch eventuelle Neben- oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sowie der Einfluss von Nahrungsergänzungsmitteln auf Blutuntersuchungen können bedeutsam sein. Die Wirkung vieler Nahrungsergänzungsmittel lässt sich indes nicht wissenschaftlich belegen. Beispiel Grünlippmuschelpulver: In Kapsel- oder Pulverform soll es Arthrose-Schmerzen lindern – nachgewiesen ist dies nicht. Wer dennoch sein Glück mit den gemahlenen Muscheln probieren möchte, sollte Wert auf Produkte legen, die von einem deutschen Labor negativ auf Toxine getestet wurden.

Gibt es Risiken und Nebenwirkungen bei der Einnahme von Vitamintabletten und anderen Nahrungsergänzungsmitteln?

Grundsätzlich gilt: Wer sich an die Empfehlung der Hersteller hält, ist bei kurzfristiger Einnahme auf der sicheren Seite. Wer in Erkältungszeiten zusätzlich Vitamin C und Zink ergänzt, um das Immunsystem zu wappnen, riskiert keine Gesundheitsgefahren. Kritisch wird es beim Kombinieren verschiedener Produkte: morgens ein kombiniertes Vitamin-Produkt, mittags Wasser mit Brausetabletten und abends eine Kapsel mit „Nährstoffen für schönes Haar“ – eine solche Mischung kann je nach Inhaltsstoffen zu einer Überdosierung führen. Die Folgen sind nicht voraussehbar. Darum gilt: Langfristig sollten Sie Nahrungsergänzungsmittel nur nach Rücksprache mit einem Arzt zu sich nehmen, um einen vorliegenden Mangel zu decken. Insbesondere chronisch kranke Menschen, die regelmäßig Medikamente einnehmen, sollten sich dies zu Herzen nehmen. So scheiden beispielsweise nierenkranke Menschen weniger Kalium aus und sollten darum kein kaliumhaltiges Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Nehmen Menschen überdurchschnittlich viel Biotin zu sich, kann dies Laborwerte beeinflussen. Kalzium steht im Verdacht, bei dauerhafter zusätzlicher Einnahme das Risiko für Herzerkrankungen zu erhöhen.

Manche Nahrungsergänzungsmittel wie Kupfer sind komplett zu meiden. Viele Menschen nehmen allein über das Trinkwasser und über Kupferrückstände von Pflanzenschutzmitteln auf Obst und Gemüse Kupfer zu sich, so dass eine zusätzliche Aufnahme nicht zu empfehlen ist.

Nahrungsergänzungsmittel für Kinder

Bunter Sirup oder vitaminreiche Fruchtgummis: Zahlreiche Hersteller bewerben Produkte, die schon die Kleinsten mit einem Plus an Vitaminen oder Spurenelementen versorgen sollen. Und die Eltern greifen zu: Apotheken bestätigen eine steigende Nachfrage nach Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder ab drei Jahren. Besonders gefragt sind Produkte für ein gesundes Immunsystem und solche, die vermeintlich die Konzentration steigern. Schließlich möchten Eltern Wachstum und Lernerfolg ihrer Sprösslinge liebend gerne positiv unterstützen. Die EsKiMo-Studie hat gezeigt, dass in der Regel keine Nahrungsergänzungsmittel notwendig sind. Lediglich Folat und Vitamin-D waren bei einigen Kindern nicht ausreichend vorhanden. Über eine Ergänzung mit Folsäure sollten Eltern mit dem jeweiligen Kinderarzt sprechen. Er kann mittels Blutprobe ermitteln, ob dies zu empfehlen ist.
Ist das Kind häufig unkonzentriert, sind meist andere Maßnahmen gefragt: Bücher lesen und draußen spielen statt Zocken an Spielekonsole oder Tablet schulen die Konzentrationsfähigkeit. Bei der Ernährung ist darauf zu achten, den Zuckerspiegel in Balance zu halten. Ist ein Kind auffallend unkonzentriert, sollte der Kinderarzt mit ins Boot geholt werden.

Nahrungsergänzungsmittel kaufen – worauf Sie achten sollten

In Deutschland wie in der gesamten EU regeln die Richtlinien 2002/46/EG alle rechtlichen Pflichten rund um Nahrungsergänzungsmittel, deren Kennzeichnung und Verzehrempfehlungen. Höchstmengen für die Dosierung liegen für Mineralien und Vitamine vor – nicht jedoch für bestimmte Fettsäuren. In den USA beispielsweise sind Nahrungsergänzungsmittel erhältlich, die in Deutschland aufgrund ihrer Inhaltsstoffe unter das Arzneimittelgesetz fallen würden. Wer innerhalb der EU Nahrungsergänzungsmittel im Internet kauft, ist theoretisch auf der „sicheren Seite“. In der Praxis haben Kontrollen jedoch ergeben, dass in Einzelfällen Nahrungsergänzungsmittel Inhaltsstoffe enthielten, die nicht deklariert waren. Wer in Online-Shops außerhalb der EU einkauft, sollte sich darüber bewusst sein, dass die jeweiligen Produkte nicht immer den hier geltenden Richtlinien entsprechen. Weitere Tipps rund um Nahrungsergänzungsmittel bietet die Verbraucherzentrale auf ihrer Seite „Klartext Nahrungsergänzung“.