Zöliakie – Wann ist glutenfreie Ernährung sinnvoll?

Zöliakie
 

Bei Zöliakie handelt es sich um eine fehlgeleitete Immunreaktion des Körpers auf Gluten. Es kommt zu entzündlichen Prozessen im Darm, sodass Betroffene nicht „nur“ unter Verdauungsbeschwerden sondern infolge auch häufig unter Mangelerscheinungen leiden. Diese Erkrankung sorgt nicht also nicht nur für das sprichwörtliche Magengrimmen, sondern kann langfristig den gesamten Körper beeinträchtigen. Im Folgenden informieren wir rund um Zöliakie und deren Folgen.

Was ist Zöliakie?

Zöliakie ist der Name einer Erkrankung, die Laien oft als „Glutenunverträglichkeit“ bezeichnen. Beantworten wir darum zuerst die Frage. Was ist Gluten? Bei Gluten handelt es sich um ein Klebereiweiß. Es ist vor allem in zahlreichen Getreidesorten enthalten – zum Beispiel in Weizen, Roggen, Dinkel sowie Grünkern und Gerste. Bei einer Zöliakie versursacht Gluten Entzündungen, die die Darmzotten schädigen. Das sind Hautfalten, die die Darm-Oberfläche vergrößern und somit die Aufnahme von Nährstoffen verbessern. Weniger Zotten führen langfristig zu Mangelerscheinungen. Bei einer Zöliakie spielt außerdem das Enzym Gewebetransglutaminase eine Rolle: Es spaltet Gluten und provoziert bei Betroffenen zusätzlich Entzündungen. Zöliakie kann übrigens in jedem Alter auftreten. Besonders häufig zeigt sich die Reaktion auf Gluten jedoch bis zum Alter von acht Jahren oder später zwischen 20 und 50 Jahren. Früher bezeichneten Experten die im Erwachsenenalter auftretende Zöliakie als „einheimische Sprue“.

Ursachen für Zöliakie

Über die genauen Ursachen für Zöliakie besteht keine Gewissheit. Die Unverträglichkeit ähnelt einer Autoimmunerkrankung, weil der Körper Antikörper gegen das eigene Enzym Gewebetransglutaminase bildet. Zeitgleich ähnelt die Zöliakie einer Allergie, da das Immunsystem unverhältnismäßig auf das eigentlich harmlose Gluten reagiert. Ursachen sind vermutlich eine Kombination aus erblicher Veranlagung, Ernährung sowie Umweltfaktoren. Nicht jeder mit der genetischen Veranlagung erkrankt an Zöliakie. Schätzungen gehen von einem zehnfach erhöhten Risiko aus. Bei neun von zehn Erkrankten (im Vergleich: 30 bis 40 Prozent der Gesunden) ist ein Oberflächenprotein auf den Immunzellen nachweisbar. Das Protein bindet Gluten und spielt eine Rolle bei den entzündlichen Prozessen auf der Darmschleimhaut. Zöliakie tritt überdurchschnittlich oft mit einigen anderen Erkrankungen auf. Hierzu zählen Autoimmunerkrankungen wie Diabetes, Hashimoto, autoimmune Lebererkrankungen, aber auch Entwicklungsstörungen wie Trisomie 21.

Vor allem im Säuglingsalter können Eltern einer Zöliakie vorbeugen. So ist es für junge Mütter, die selbst unter Zöliakie leiden, empfehlenswert, das Neugeborene möglichst lange zu stillen. Denn Muttermilch hat einen vorbeugenden Effekt. Auch glutenhaltige Lebensmittel ab dem fünften bis siebten Lebensmonat wirken sich positiv aus.

Zöliakie – eine Volkskrankheit?

Obwohl heutzutage in fast jedem Supermarkt glutenfreie Produkte erhältlich sind und viele Menschen auf Gluten verzichten, sind nur wenige tatsächlich von einer Zöliakie betroffen. Experten schätzen, dass einer von 1.000 Deutschen unter einer echten Glutenunverträglichkeit, die mit Beschwerden einhergeht, leidet. Somit ist die Erkrankung sehr selten und keine „Volkskrankheit“. Allerdings gehen weitere Studien davon aus, dass bis zu einem Prozent der Bevölkerung von einer latenten Zöliakie betroffen ist. Hierunter verstehen wir eine Zöliakie ohne Symptome. 

Zöliakie – Symptome

Die Symptome einer Zöliakie treten nach dem Verzehr von glutenhaltigen Nahrungsmitteln auf. Verursacht werden sie durch entzündliche Vorgänge. Zu den typischen Symptomen gehören: 

  • Bauchschmerzen
  • fettiger Durchfall
  • Blähungen

Allerdings kann es auch zu untypischen Symptomen kommen. Denn langfristig nimmt die Darmschleimhaut durch die ständigen Entzündungen Schaden. So kann der Körper Nahrung schlechter verwerten und es kann zu Mangelzuständen kommen. Diese wiederum ziehen weitere Symptome nach sich – beispielsweise Ödeme oder Gewichtsverlust, Müdigkeit, stumpfes Haar und allgemeines Unwohlsein sowie Osteoporose.

Weitere mögliche atypische Symptome sind:

  • Zungenbrennen oder Blutarmut aufgrund von Eisenmangel
  • Gelenkbeschwerden
  • Schilddrüsenstörungen
  • Koordinationsstörungen

Bei Kindern kann es zu ähnlichen Anzeichen kommen. Häufig sind auch Beschwerden wie ein aufgetriebener Bauch und mangelnder Appetit zu beobachten. Einige Menschen, bei denen die Zöliakie durch Zufallsbefund festgestellt wurde, leiden unter keinerlei Symptomen – bei ihnen spricht man von einer „stillen Zöliakie“. Die Übergänge sind fließend – bei einer asymptomatischen Zöliakie sind teils leichte, unspezifische Anzeichen wie Müdigkeit zu beobachten. Auch milde oder asymptomatische Formen der Glutenunverträglichkeit sollten ärztlich abgeklärt werden.
Denn von einem Verzicht auf Gluten profitieren alle Zöliakie-Betroffenen – unter anderem im Bezug auf eine gesunde Knochendichte. Außerdem ist das Risiko für Lymphdrüsenkrebs erhöht und normalisiert sich bei einer entsprechenden glutenfreien Diät.

Wann sollte man bei Verdacht auf Zöliakie einen Arzt aufsuchen?

Wer den Verdacht hat, unter Zöliakie zu leiden, sollte dies in jedem Fall ärztlich abklären lassen. Denn unbehandelt kann es mittelfristig zu starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen. Eine Zöliakie-Diagnose sollte unbedingt vom Experten  kommen, denn sie mündet in einer lebenslangen Diät. Umgekehrt gilt: Auch wer „auf Verdacht“ auf Gluten verzichtet, tut sich keinen Gefallen – hierzu später mehr. Es ist nicht sinnvoll, vor dem Arztbesuch wochenlang glutenfrei zu essen. Denn so erschweren potenziell Betroffene eine korrekte Diagnose.

Zur Diagnose-Stellung wird der Arzt nach ausführlicher Anamnese einen Zöliakie-Test durchführen, um Antikörper im Blut nachzuweisen. Zur Absicherung ist eine Dünndarmbiopsie erforderlich. Diese ist ungefährlich und dauert rund zehn bis 15 Minuten. Sind nur Antikörper nachweisbar, die Darmhaut aber noch intakt, sprechen Experten von potenzieller Zöliakie.

Prognose

Zöliakie ist nicht heilbar und die Reaktion auf Gluten verbessert sich im Lauf des Lebens nicht. Die Therapie besteht in konsequenter Vermeidung glutenhaltiger Nahrungsmittel. Halten sich Betroffene nicht daran, kann die Zöliakie weitere Komplikationen wie Laktoseintoleranz nach sich ziehen. Außerdem kann die dauernde Entzündung des Dünndarms Krebserkrankungen im Magen-Darm-Bereich begünstigen. Doch mit einem angepassten Speiseplan können über 98 Prozent der Zöliakie-Patienten beschwerdefrei leben. Bereits nach wenigen Wochen normalisiert sich die Darmschleimhaut – damit reduziert sich das Risiko für Mangelernährungen. Durch die Zöliakie ausgelöste Laktoseintoleranzen gehen zurück. Bessern sich die Beschwerden nach einem Jahr glutenfreier Ernährung nicht, spricht man von einer refraktären Zöliakie. Bei dieser seltenen Form sind zusätzlich Medikamente erforderlich.

Welche Lebensmittel sind bei Zöliakie erlaubt?

Eine Zöliakie ist mit zahlreichen Einschränkungen verbunden, denn viele Getreidesorten sind vom Speiseplan zu streichen. Hierzu zählen die beliebten Getreidesorten Weizen und Roggen, aber auch Gerste, Dinkel, Grünkern, Einkorn, Emmer und bei einigen Betroffenen auch Hafer. Offensichtlich zählen damit die meisten Brote zu den glutenhaltigen Lebensmitteln. Aber auch Nudeln, Gebäck, Kuchen, Pizzateig, Fleisch mit Panade oder Sojasauce enthalten Gluten.
Seit 2005 sind Lebensmittelhersteller aufgrund der Gesetze zur Allergenkennzeichnung dazu verpflichtet, glutenhaltige Lebensmittel zu kennzeichnen. Dies ist wichtig, denn Gluten wird in der Lebensmittelindustrie häufig als Emulgator verwendet.

Mittlerweile gibt es allerdings viele Produkte für Zöliakie-Betroffene. Das Symbol hierfür ist eine durchgestrichene Getreideähre. Glutenfrei sind Lebensmittel dann, wenn sie weniger als 2 mg Gluten je 100 g enthalten.

Wer selbst backt, findet zahlreiche Rezepte für glutenfreie Brote oder Kuchenteige. Auch immer mehr Cafés und Restaurants bieten Gästen glutenfreie Alternativen an. Zum Kochen und Backen für zuhause stehen ebenfalls Alternativen zur Verfügung. Zu den glutenfreien Getreiden zählen Reis, Mais, Hirse, Buchweizen, Amaranth sowie Quinoa. Grünes Licht gibt es außerdem für alle anderen unverarbeiteten Lebensmittel außer Getreide – sprich: Obst, Gemüse, Kartoffeln, Fleisch, Hülsenfrüchte, Eier und Milchprodukte sowie Nüsse und Öle. 

Viele Tipps rund um ein glutenfreies Leben bietet die Deutsche Gesellschaft für Zöliakie e.V. Auf deren Online-Präsenz www.dzg-online.de stehen außerdem verschiedene Broschüren rund um Glutenunverträglichkeit zum Download bereit.

Mangelerscheinungen vorbeugen

Da die beschädigte Darmschleimhaut die Aufnahme von Vitaminen und Spurenelementen beeinträchtigt, kann es zu Mangelzuständen kommen. Darum ist eine ausgewogene Ernährung besonders wichtig. Zöliakie-Patienten leiden überdurchschnittlich häufig unter einem Mangel an Vitamin A, B-Vitaminen und Vitamin K sowie Eisen, Magnesium und Kalzium. Bei Bedarf können Ärzte nach entsprechenden Blutuntersuchungen Nahrungsergänzungsmittel verschreiben. Bei schweren Mangelzuständen können Infusionen erforderlich sein.

Ist der Verzicht auf Gluten ohne bestätigte Diagnose sinnvoll?

Glutenfreie Nahrungsmittel sind mittlerweile nicht nur eine Alternative für Menschen, die unter Zöliakie leiden. Sie erfreuen sich immer größerer Beliebtheit unter den übrigen rund 99 Prozent. Einige von ihnen haben sich selbst eine vermeintliche Glutenunverträglichkeit diagnostiziert – zum Beispiel, weil sie leichte Magen-Darm-Beschwerden in falsche Zusammenhänge setzen.
„Gluten“ bringen viele Konsumenten mit etwas Schädlichem in Verbindung – „frei-von“-Lebensmittel liegen im Trend. Hierzu tragen weitere Trends wie Paleo bei, die auf Getreide verzichten. Zudem publizieren immer noch einige Ratgeber die Hypothese, dass der Verzehr von Gluten Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstige. Umfangreiche Studien haben dies jedoch nicht bestätigt. Im Gegenteil: Der dauerhafte Verzicht auf Vollkornprodukte kann das Risiko für einen Herzinfarkt leicht erhöhen. Der Verzicht auf glutenhaltige Produkte bringt Menschen ohne Zöliakie keine gesundheitlichen Vorteile sondern birgt sogar das Risiko von Mangelerscheinungen.