Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass zwischen Armut und Gesundheit ein enger Zusammenhang besteht. Von Armut betroffene Bevölkerungsgruppen sind auch heute noch sowohl einem höheren Erkrankungsrisiko, als auch einem frühzeitigen Sterberisiko ausgesetzt. In folgendem Beitrag wird der Frage nachgegangen, inwiefern ein geringes Einkommen die Gesundheit beeinflussen kann. Es soll untersucht werden, welchen Risiken Betroffene ausgesetzt sind und welche Auswirkungen Armut auf die Gesundheit haben kann.
Armut in Deutschland: Ab wann spricht man von Armut?
Armut ist ein durchaus gebräuchlicher Begriff. In der Regel assoziiert man damit einen Mangel, der sich auf unterschiedlichen Ebenen zeigen kann. Selbstverständlich muss Armut stets im Kontext betrachtet werden. Gemeinhin wird der Begriff der absoluten Armut von jenem der relativen Armut abgegrenzt. Nach der Definition der Weltbank ist absolute Armut gegeben, sobald eine Person pro Tag weniger als 1,90 Euro zur Verfügung hat. Es wird also – weltweit betrachtet – ein absolutes Minimum angenommen, das zum Überleben zwingend notwendig ist.
Begegnet uns der Begriff Armut im Alltag, ist meist relative Armut gemeint. Von relativer Armut spricht man, wenn das eigene Einkommen weniger als 60 % des durchschnittlichen Einkommens des jeweiligen Landes ausmacht. Es ist also eine klare Grenze sowie konkrete Relation vorhanden. Relative Armut wird an den Maßstäben der Gesellschaft beziehungsweise am allgemeinen Standard gemessen. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass sich Armut negativ auf die Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben auswirkt.
Auch in unseren Breitengraden steigt Armut stetig an. Gründe dafür sind vielfältig, etwa mangelnde Schulbildung und Berufsqualifizierung, Beschäftigungen im Niedriglohnsektor, generelle prekäre Arbeitsverhältnisse oder gar Arbeitslosigkeit. Dass Menschen, die von Armut betroffen oder bedroht sind, erkranken beziehungsweise sich bestehende Erkrankungen verschlimmern, ist ein ernstzunehmendes Risiko. Nicht zuletzt deshalb muss Armut als gesundheitliche Bedrohung wahrgenommen werden.
Welche Personengruppen sind einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt?
Armut steht in enger Wechselwirkung mit sozialer und gesellschaftlicher Ungleichheit. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass Armut zu sozialer wie wirtschaftlicher Ausgrenzung führen kann. Umgekehrt begünstigt auch Ausgrenzung Armut. Auf diese Weise entsteht ein Teufelskreis, dem Betroffene nur sehr schwer entrinnen können – und das oftmals über Generationen.
Folgende Personengruppen sind einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt:
- Langzeitarbeitslose
- Personen in prekären Arbeitsverhältnissen
- Schulabbrecher/Geringqualifizierte
- Einkommensschwache Personen
- Alleinerziehende
- Beeinträchtigte Personen (Menschen mit Behinderung, Menschen mit psychosozialen Schwierigkeiten, Menschen mit
- chronischen Erkrankungen,…)
- Migranten beziehungsweise Menschen mit Migrationshintergrund
- Ältere Personen (Stichwort: Altersarmut)
Zum Zusammenhang von Armut und Gesundheit
Es darf zweifelsfrei angenommen werden, dass ein Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit besteht. Davon zeugt allein die aktuelle Studienlage. Generell ist die Wechselwirkung zwischen Armut und Gesundheit auch kaum Sache einzelner Nationen, sondern in westlichen Industrieländern allgemein zu beobachten.
So wirkt sich die soziale Situation eines Menschen oftmals unmittelbar auf seine Gesundheit aus. Verschiedene gesundheitliche Beschwerden oder Erkrankungen können bei von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppen dementsprechend häufiger beobachtet werden (dazu später mehr).
Nachdem es sich hierbei nicht um ein Problem Einzelner handelt, sondern vielmehr um ein gesamtgesellschaftliches Problem, ist es notwendig, dass der Zusammenhang von Armut und Gesundheit politisch in den Fokus rückt. Nur so ist es möglich, mit geeigneten Maßnahmen anzusetzen. Armutsbekämpfung sowie Chancengleichheit sind in diesem Zusammenhang passende Schlagworte.
Welche Faktoren beeinflussen die Gesundheit?
Gesamtgesellschaftlich betrachtet wird unsere Gesundheit von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Neben allgemeinen Aspekten wie Ausbildung, Berufstätigkeit oder Einkommen, spielt auch unser Gesundheitsverhalten selbst eine entscheidende Rolle.
Wesentliche Faktoren sowie Verhaltensgewohnheiten sollen folgend in den Blick genommen werden, um zu verdeutlichen, wie und warum Armut und Gesundheit einander bedingen.
Berufstätigkeit/Arbeitslosigkeit
Je nach konkreten Umständen, kann eine Berufstätigkeit unserer Gesundheit als Ressource dienen, ihr aber auch abträglich sein. Ein stabiles Dienstverhältnis wirkt sinnstiftend und ermöglicht neben sozialer Teilhabe auch ein gutes Auskommen. Struktur, Kontakt zu anderen Personen, Erfolgserlebnisse oder Wertschätzung – solche und ähnliche Vorteile bringt ein gerne ausgeübter Beruf in der Regel mit sich.
Demgegenüber kann ein prekärer oder unliebsamer Job körperlich wie psychisch stark belasten. Vor allem eine zu geringe Entlohnung, monotone Tätigkeiten, Konflikte, Zeitdruck, Stress oder unsichere Faktoren (Befristung, Auftragslage,…) wirken sich negativ auf unsere Gesundheit aus. Darüber hinaus darf natürlich nicht vergessen werden, dass individueller Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit einander bedingen.
Vor diesem Hintergrund muss Arbeitslosigkeit – und damit der Verlust eines gesicherten Einkommens – als ernstzunehmende Bedrohung für unsere Gesundheit betrachtet werden. Nicht nur materielle Einbußen sind hier zu nennen, auch die psychosoziale Belastung ist mitunter immens. Der Wegfall von Struktur manifestiert sich oftmals in physischen sowie psychischen Problemen. Dass sich Arbeitslosigkeit negativ auf den Selbstwert auswirken kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Kompensierende Verhaltensweisen, die der Gesundheit nicht unbedingt zuträglich sind (Rauchen, Alkoholmissbrauch,…), nehmen während einer Arbeitslosigkeit tendenziell zu.
Einkommen
Das Einkommen ist mit den Faktoren Berufstätigkeit und Arbeitslosigkeit eng verbunden. Es dient der sozialen Absicherung und macht gesellschaftliche Teilhabe überhaupt erst möglich. Nicht weiter verwunderlich also, dass gesundheitliche Stabilität nicht zuletzt von regelmäßigen Gehaltseingängen abhängt. Auf diese Weise versorgen wir uns nicht nur mit Gütern des täglichen Bedarfs, auch Zuzahlungen zu medizinischen Leistungen sowie private Gesundheitsförderung werden so möglich.
Wohnsituation, Ernährung, medizinische Leistungen, Investition in Gesundheitsförderung (Sportkurse, Massage, Therapien,…), soziale Teilhabe – vieles hängt also unmittelbar vom Einkommen ab. Der Zusammenhang von Armut und Gesundheit wird in diesem Kontext besonders deutlich.
Bildung
Bildung – als Schulbildung, Berufsausbildung sowie generelle Bildung verstanden – wirkt sich auf Qualifizierung, Berufstätigkeit und Einkommen aus – und damit automatisch auf die Gesundheit. Generell darf Bildung als wesentliche Voraussetzung für soziale und gesellschaftliche Teilhabe verstanden werden. So reduziert sie nicht nur das Risiko von Arbeitslosigkeit und prekären Dienstverhältnissen, sie kann zudem körperliche und seelische Stabilität schaffen.
Darüber hinaus werden mit Hilfe von Bildung, Informationen zu gesundheitsfördernden Verhaltensweisen (Ernährung, Bewegung, Vorsorge,…) weitergegeben. Reflexion und Konsequenzendenken sind eng mit Wissen und Bildung verbunden. Interesse für gesundheitsrelevante Themen zu wecken sowie Hintergrundwissen zu vermitteln muss daher so früh wie möglich beginnen – am besten schon im Elementarbereich. Immerhin geschieht gesundheitliche Prävention nicht zuletzt auf Grundlage von Wissen.
Gesundheitsriskante Verhaltensweisen
Riskante Verhaltensweisen nehmen deutlich negativen Einfluss auf unsere Gesundheit. Auswirkungen zeigen sich selten unmittelbar, stellen eher ein langfristiges Problem dar. Häufig sind chronische Erkrankungen die unangenehmen Folge riskanten Verhaltens. Mangelnde Bildung, prekäre Arbeitsverhältnisse, Arbeitslosigkeit oder fehlende Struktur – all diese Faktoren triggern entsprechende Verhaltensweisen. Der Zusammenhang von Armut und Gesundheit wird demnach auch in diesem Spannungsfeld deutlich.
Gesundheitsriskante Verhaltensweisen im Überblick:
- Rauchen
- Alkoholkonsum
- Drogenkonsum
- Unzureichende/ungesunde Ernährung
- Mangelnde Bewegung
- Fehlende Inanspruchnahme gesundheitlicher Vorsorgeuntersuchungen
Folgen von Armut für die Gesundheit
Welche Folgen hat Armut nun aber für unsere Gesundheit? Dazu lässt sich sagen, dass Armut den gesundheitlichen Status quo auf vielerlei Ebenen zu beeinflussen vermag. Auswirkungen zeigen sich unterschiedlich, äußern sich in der Regel anhand einzelner Symptome sowie konkreter Erkrankungen. Besonders häufig sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates sowie psychische Erkrankungen.
Untenstehend eine Auswahl der häufigsten gesundheitlichen Beschwerden im Zusammenhang mit Armut:
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall,…)
- Übergewicht/Adipositas
- Mangelernährung
- Diabetes mellitus
- Wiederkehrende/Chronische Atemwegserkrankungen (Bronchitis,…)
- Beschwerden/Erkrankungen im Magen-Darm-Bereich (Verdauungsbeschwerden, Gastritis, Magengeschwüre,…)
- Beschwerden/Erkrankungen des Bewegungsapparates (v.a. Rückenschmerzen)
- Kopfschmerzen/Migräne/Schwindel
- Konzentrationsstörungen
- Schlafstörungen
- Psychische Beschwerden/Erkrankungen (Stress, Isolation, psychosoziale Belastungen, depressive Verstimmungen, Depression, Angststörungen,…)
- Erkrankungen, die v.a. im Zusammenhang mit Tabak- und Alkoholkonsum stehen (Lungenkrebs, Leberzirrhose,…)
Oftmals machen sich gesundheitliche Folgen von Armut nicht sofort bemerkbar, sondern erst im Laufe der Zeit. Bemerkt werden sie manchmal erst, wenn sie sich häufen oder einen chronischen Verlauf nehmen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang sicherlich, dass Möglichkeiten der Bewältigung oder Kompensation häufig nur spärlich vorhanden sind.
Beeinflusst Armut die Lebenserwartung?
Verschiedene Faktoren sowie Verhaltensweisen beeinflussen die physische und psychische Stabilität. Armut nimmt also direkten Einfluss auf unsere Gesundheit. Zudem belegen Studien, dass Armut die Lebenserwartung reduziert. So hat etwa eine Längsschnittstudie (1995-2005) ergeben, dass Frauen, die von Armut betroffen sind, statistisch betrachtet ganze acht Jahre kürzer leben als solche aus der „normal“ verdienenden Vergleichsgruppe. Bei Männern beträgt die Differenz sogar elf Jahre.
Dass sich Armut negativ auf die Gesundheit und in weiterer Folge auch auf die Lebenserwartung auswirkt, darf als gesichert angenommen werden. Dahingehend hat sich bis heute leider wenig geändert. Im Gegenteil, Armut nimmt in unseren Breiten weiterhin zu.
Drei Faktoren, die sich besonders stark auf die gesundheitliche Stabilität auswirken, lassen sich herausstreichen:
- Konsequenzen aufgrund materieller Nachteile
- Psychosoziale Belastungen/Problemlagen
- Gesundheitsverhalten (riskante Verhaltensweisen)
Es benötigt zwingend Maßnahmen, um gleiche Chancen für alle – und damit automatisch gleiche Gesundheitschancen – zu ermöglichen. Hier ist die Politik gefragt, entsprechende Programme zu installieren. Diese müssen so früh wie möglich – am besten schon im Elementarbereich – ansetzen.
Wie wirkt sich Armut auf Kinder und Jugendliche aus?
Dass Armut vererbt wird, davon hört man immer wieder. Diese Annahme kommt nicht von ungefähr. Generell sind Kinder und Jugendliche aus Familien, die von Armut betroffen sind, in der sozialen Teilhabe schlechter gestellt als ihre Altersgenossen. Ob Wohnumgebung, Ressourcen der Eltern oder Bildungschancen – negative Auswirkungen von Armut sind vielfältig spürbar. Hierzu kommt oftmals ein Gefühl von Mangel und Benachteiligung, das sich in einem verringerten Selbstwert niederschlagen kann.
Darüber hinaus entstehen Verhaltensmuster und Einstellungen – auch in Bezug auf Gesundheit – mitunter sehr früh im Leben. Defizite, die sich hier manifestieren, können oftmals kaum mehr ausgeglichen werden.
Durch Armut bedingte gesundheitliche Probleme zeigen sich im Kindes- und Jugendalter häufig anhand von Entwicklungsstörungen (psychomotorische Störungen, emotionale/soziale Störungen, Sprachauffälligkeiten,..) sowie psychischer Auffälligkeiten. Auch Übergewicht, Unterernährung, Entwicklungsrückstände sowie Vernachlässigung sind konkrete Problematiken. Außerdem zeigen sich Defizite in Bezug auf die Zahngesundheit. Im Jugendalter ist darüber hinaus vermehrter Tabak- und Alkoholkonsum zu beobachten.
Nachdem Kinder aus armutsgefährdeten Familien nicht nur ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Beschwerden haben, sondern auch die Gefahr gegeben ist, dass sich die Armut über Generationen zieht, wird die Dringlichkeit von Präventionskonzepten einmal mehr deutlich. Kinder und Jugendliche, die von Armut betroffen sind, sind, rein statistisch betrachtet, die chronisch Kranken von morgen. Hier frühestmöglich anzusetzen, um das Blatt zu wenden, ist demnach im Interesse einer gut funktionierenden Gesellschaft.