Kaum jemand geht so richtig gerne zum Arzt. Was aber, wenn alleine der Gedanke an den Arztbesuch für heftige Symptome sorgt – und das schon Tage und Wochen vor dem Termin? Etwa zwei Millionen Deutsche leiden unter Iatrophobie – der Angst vor Ärzten oder ärztlichen Behandlungen. Damit verbunden ist ein massiver Leidensdruck. Der Arztbesuch wird häufig hinausgezögert oder gar gemieden – mit weitreichenden Folgen.
Alles zum Thema Arztphobie erfahren Sie in folgendem Artikel. Wie äußert sich eine Iatrophobie? Welche Auslöser und Risikofaktoren können ausgemacht werden? Darüber hinaus beleuchten wir Konsequenzen, die drohen, wenn der Arztbesuch aus Angst vermieden wird. Nicht zuletzt soll der Fokus auf Behandlungsmöglichkeiten gelegt werden, um einer Arztphobie entgegenzuwirken.
Was ist eine Iatrophobie?
Setzt man sich mit der Wortherkunft des Begriffes Iatrophobie auseinander, ahnt man schon, worum es sich dabei handeln könnte. So besteht das Wort aus den altgriechischen Begriffen „iatros“ (Arzt) und „phóbos“ (Furcht). Die Angst vor Ärzten oder ärztlicher Behandlung ist also gemeint. Nur allzu bekannt ist uns etwa die Zahnarztangst, wobei eine Iatrophobie sämtliche Fachrichtungen betreffen kann.
Angstpatienten empfinden in der Regel einen starken Leidensdruck. Aufgrund der Tatsache, dass Untersuchungen und Therapien stark angstbehaftet sind, werden diese hinausgezögert beziehungsweise ganz gemieden – selbst bei starken Schmerzen oder ernsthaften Erkrankungen.
Iatrophobie als Form der Angststörung ist nicht ganz klar definiert. Das liegt sicher auch daran, dass Übergänge zwischen normaler Anspannung bei Arztbesuchen und deutlichem Leidensdruck mit Vermeidungsverhalten fließend sind. Schätzungen zufolge kann man aber davon ausgehen, dass allein in Deutschland etwa zwei Millionen Menschen unter Iatrophobie leiden.
Eine solche Arztphobie muss übrigens von der Hypochondrie abgegrenzt werden. Bei dieser haben Betroffene ausgeprägte Ängste davor, an einer schwerwiegenden Erkrankung zu leiden.
Arztphobie: So äußert sie sich
Wie andere Angststörungen auch, ist die Iatrophobie durch verschiedene psychische und physische Symptome gekennzeichnet. Diese können in Auftreten und Ausprägung stark variieren. Die Bandbreite reicht von Schweißausbrüchen und Schwindelanfällen über Symptome im Magen-Darm-Bereich bis hin zu Appetitstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten. Folgend finden Sie eine Auswahl der gängigsten Anzeichen.
Iatrophobie: Symptome im Überblick:
- starke Ängste/ Panikattacken
- Gefühl von Kontrollverlust
- deutliches Angespanntsein, Unsicherheit, Gereiztheit
- Schamgefühle
- Rückzug
- Hitzewallungen, Schwitzen
- Schwindel, Kreislaufprobleme
- Gefühl nahender Ohnmacht
- Magen-Darm-Probleme (Übelkeit, Durchfall, Erbrechen,…)
- Schwierigkeiten mit der Konzentration
- Appetitstörungen
- Herzrasen, Bluthochdruck
- Beklemmungsgefühl, Atemnot
Angst vor dem Arzt: Wer ist betroffen?
Exakte Zahlen zu Iatrophobie sind nicht vorhanden. Das mag daran liegen, dass die Grenzen zwischen „normaler“ Beklemmung und deutlichem Leidensdruck beim Arztbesuch eher fließend sind. Man geht aktuell davon aus, dass etwa zehn Prozent der Bevölkerung eine Phobie vor Ärzten entwickelt haben. In diesen Fällen ist der Arztbesuch stark angstbehaftet, oftmals wird er ganz vermieden – mit weitreichenden Folgen. Männer leiden etwas häufiger an Arztphobien leiden als Frauen.
Iatrophobie: Auslöser und Risikofaktoren
Die Gründe für eine Arztangst sind durchaus sehr verschieden. Oftmals beruht die Iatrophobie jedoch auf tatsächlicher Erfahrung, wenngleich Betroffene sich dessen nicht immer bewusst sind.
So können etwa negative Begebenheiten mit Ärzten in der Kindheit massive Ängste vor medizinischem Personal heraufbeschwören. Auch traumatische Erfahrungen, schwere Erkrankungen oder langwierige Krankheitsgeschichten sind häufige Auslöser. Darüber hinaus schüren falsche Diagnosen und/oder unnötige Behandlungen die Angst vor dem Arzt. Nicht zuletzt können auch ein unfreundlicher oder unsensibler Umgang dazu beitragen, dass Betroffene Angst vor ärztlichen Behandlungen entwickeln.
Angst vor dem Arzt: Ab wann ist es krankhaft?
An dieser Stelle muss betont werden, dass eine etwas ängstliche und unsichere Stimmungslage vor dem Arztbesuch keinesfalls selten ist. Wir alle kennen das Gefühl der Anspannung vor bestimmten Vorsorgeuntersuchungen. Die Kontrolle abzugeben fällt eben nicht immer leicht. Davon abgesehen, geht kaum jemand so richtig gerne zum Arzt.
Der Grat zwischen ängstlichem Unwohlsein und einer Arztphobie ist ein durchaus schmaler. Als Faustregel gilt: Handlungsnotwendigkeit ist dann gegeben, wenn der Leidensdruck spürbar hoch ist. Angstpatienten stehen oftmals schon Tage und Wochen vor anstehenden Arztterminen große Ängste aus. Notwendige Behandlungen werden häufig ganz vermieden. Das setzt nicht nur einen Teufelskreis in Gang, der Alltag ist dadurch ebenfalls stark beeinträchtigt.
Iatrophobie hat weitreichende Folgen
Die Phobie vor Ärzten hat spürbare Konsequenzen. Dadurch, dass der Arztbesuch gemieden wird, kommt es zu einer unzureichenden Gesundheitsvorsorge. Das führt häufig dazu, dass ernsthafte Erkrankungen schlichtweg übersehen werden. Zwingen sich Angstpatienten aufgrund starker Schmerzen schlussendlich doch zum Arzt, sind Krankheiten nicht selten schon weit fortgeschritten. Das macht die folgende Behandlung langwierig und trägt nicht unbedingt dazu bei, dass Betroffene ihre Ängste ablegen können.
Darüber hinaus setzt Iatrophobie häufig einen regelrechten Teufelskreis in Gang. Beschwerden werden bagatellisiert, der notwendige Arztbesuch hinausgezögert. Oftmals werden Schmerzen mit freiverkäuflichen Präparaten aus der Apotheke bekämpft. Dadurch lösen sich zugrundeliegende Probleme aber natürlich nicht in Luft auf. Im Gegenteil – gesundheitliche Baustellen werden größer und größer. Gleichzeitig drohen zusätzliche gesundheitliche Probleme durch die unsachgemäße Anwendung von Arzneimitteln.
Wie kann eine Arztphobie behandelt werden?
In erster Linie müssen Betroffene und deren Umfeld eine Arztphobie als solche unbedingt ernstnehmen. Iatrophobie als ausgeprägte Angststörung verursacht Leidensdruck. Damit, dass sich Betroffene eben ein wenig „zusammenreißen“, ist es also in der Regel nicht getan.
Vielmehr braucht es professionelle Unterstützung, um solche erlernten Ängste zu analysieren und abzubauen. Wie bei anderen Phobien und Angsterkrankungen auch, können verhaltenstherapeutische Ansätze helfen, die Angst vor dem Arzt zu durchbrechen. Gemeinsam mit einem geeigneten Therapeuten werden zugrundeliegende Verhaltensmuster analysiert und Ängste konfrontativ aufgelöst (Konfrontationstherapie). Eine engmaschige Begleitung durch den Therapeuten – gegebenenfalls auch beim Arztbesuch selbst – ist hier notwendig.
Ist ein traumatisches Erlebnis in der Vergangenheit ursächlich für die Iatrophobie, können auch tiefenpsychologische Ansätze helfen.
In Akutfällen, die einer sofortigen Behandlung bedürfen, können Angstpatienten gegebenenfalls auch auf ärztlich verordnete Beruhigungsmittel zurückgreifen.
Iatrophobie: Das hilft außerdem
Neben psychotherapeutischer Unterstützung gibt es weitere Verfahren, die im Vorfeld oder während der ärztlichen Behandlung selbst helfen können. Erwähnenswert sind etwa verschiedene Entspannungsverfahren. Viele dieser Methoden sind leicht erlernbar und bringen spürbare Erleichterung in vielen Lebenslagen. Autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Meditation können rasche Erfolge liefern.
Weitere Informationen zur progressiven Muskelentspannung
Auch Hypnose hat sich bei Iatrophobie bewährt. Vor allem bei Zahnarztangst wird sie häufig eingesetzt. Es geht hier vorrangig darum, einen Zustand der Tiefenentspannung herbeizuführen. Eine andere Möglichkeit ist die Behandlung mit Lachgas (Distickstoffmonoxid). Hier steht der kurze narkotisierende Effekt im Zentrum. Lachgas ist für kurze Schmerzbehandlungen gut geeignet, wird in der Praxis aber eher seltener angeboten.
In so mancher Arztpraxis kommt die sogenannte Videobrille zum Einsatz. Mit einer solchen können Angstpatienten während der Behandlung spannende Serien, Filme oder Dokumentationen verfolgen. Es ist hier eine audiovisuelle Entkopplung, die sich nachhaltig auf das Wohlbefinden auswirkt. Vor allem bei Zahnarztangst aber auch bei Blutabnahmen oder Impfungen kann die Videobrille hilfreich sein.
Weitere Informationen zum Thema Zahnarztangst
Angst vorm Arzt: Das können Sie selbst tun
Neben beschriebenen Ansätzen, um eine Arztphobie professionell zu bearbeiten, gibt es einiges, das Sie zusätzlich tun können, damit der Besuch beim Arzt so angenehm wie möglich wird.
Über Ängste reden
Wie häufig im Leben gilt auch hier: darüber reden, hilft! Sie werden erstaunt sein, wie viel Verständnis und Wohlwollen Ihnen entgegengebracht wird, wenn Sie offen mit Ihren Ängsten umgehen. Immerhin ist Furcht etwas, das durchaus jedem von uns bekannt ist. Gerade auch medizinisches Fachpersonal kann Umgang und Behandlung anpassen, wenn es von Ihren Ängsten weiß.
Vertrauensperson einsetzen
Geteiltes Leid ist halbes Leid. Scheuen Sie sich also nicht, Ihren Partner, Geschwister, Verwandte oder enge Freunde um Hilfe zu bitten. Wenn jemand den Termin für Sie vereinbart, Sie in die Arztpraxis begleitet sowie vor und nach der Behandlung unterstützend wirkt, kann das Ängste reduzieren.
Vorbereitung ist alles
Während eines Arzttermins ist man häufig aufgeregt und vergisst auf Wesentliches. Gute Vorbereitung ist hier sinnvoll. Notieren Sie sich im Vorfeld wichtige Fragen und Anliegen, sodass Sie diese im Bedarfsfall griffbereit haben.
Wünsche äußern
Für viele ist die Vorstellung, dem ärztlichen Fachpersonal hilflos ausgeliefert zu sein, beklemmend. Bitten Sie daher im Vorfeld darum, dass man Ihnen jeden einzelnen Behandlungsschritte erklärt und das in einer einfachen Wortwahl. Als Patient ist das Ihr gutes Recht und wird von jedem einfühlsamen Arzt gerne berücksichtigt.