Mit „Botox“ gegen Migräne

junge Frau leidet unter MigräneMigräne ist eine neurologische Erkrankung, von der fast jede fünfte Frau in ihrem Leben betroffen ist. Auch rund acht Prozent der Männer kennen Migräne aus eigener Erfahrung. Manche von ihnen setzt die Erkrankung für mehrere Tage pro Monat außer Gefecht, andere können sich mittels einer abgestimmten Medikation weiterhin am Alltag beteiligen. Vor allem chronisch Erkrankten kann ein Wirkstoff helfen, der als Faltenglätter berühmt geworden ist. Die Rede ist von Botulinumtoxin, vielen besser bekannt unter dem Markennamen „Botox“. Wie die Behandlung funktioniert und warum gerade Botulinumtoxin bei Migräne-Patienten Erfolge verspricht, erfahren Sie in unserem Beitrag.

Migräne – Krankheit mit vielen Gesichtern

Bei Nicht-Betroffenen, die nur leichte Spannungskopfschmerzen kennen, stößt Migräne nicht selten auf Unverständnis. Doch „Nimm einfach eine Kopfschmerztablette, dann wird es schon besser!“ ist ein Ratschlag, der Migräne-Patienten kaum hilft. Migräne steht für eine typische Art von Kopfschmerzen, die bei vielen Betroffenen halbseitig auftritt und als pulsierend beschrieben wird. Bei einigen kündigt die neurologische Erkrankung sich bereits vorher durch die sogenannten „Aura“ an. Darunter verstehen wir vor allem visuelle Störungen wie ein Flimmern vor den Augen. Es kommt teilweise zum „Alice-im-Wunderland“-Syndrom, also zu Halluzinationen, bei denen die Patienten Orientierungslosigkeit verspüren und die Umgebung vergrößert oder verkleinert wahrnehmen. Migräne geht oft mit Sehstörungen, Übelkeit und Schwindel einher.
Viele Betroffene sind außerdem lärm- und lichtscheu – am liebsten halten sie sich in einem abgedunkelten Raum auf und ziehen sich häufig nicht nur sprichwörtlich die Decke über den Kopf. Experten unterscheiden zwischen einer episodischen und einer chronischen Migräne. Von letzterer sprechen wir, wenn Migräne-Symptome mindestens an 15 Tagen im Monat auftreten.

Mögliche Ursachen von Migräne

Viele Betroffene bringen ihre Migräne-Attacken mit äußeren Faktoren wie Alkohol, Wetterumschwung oder Stress in Verbindung. Schlafmangel, Hormonumstellungen im weiblichen Zyklus oder bestimmte Nahrungsmittel können ebenfalls einen Migräne-Schub auslösen. Die Ursache für die Erkrankung kann auch eine genetische Disposition sein: Migräne tritt meist familiär gehäuft auf, die Veranlagung für Migräne scheint erblich bedingt. Doch nur bei einem speziellen Migränetyp, der Familiären Hemiplegischen Migräne (FHM), konnten die Gene, die für die Weitergabe der Erkrankung verantwortlich sind, verifiziert werden. Bei der „gewöhnlichen“ Migräne gehen die Wissenschaftler von einem Zusammenspiel von Genen und Umweltfaktoren aus, die noch zu identifizieren sind.

Schmerz, lass nach – Therapie der Migräne

Was hilft gegen Migräne? So zahlreich wie die Symptome, so vielfältig sind auch die Möglichkeiten der Therapie. Neurologen raten bei einer akuten Migräneattacke beispielsweise zu klassischen Schmerzmedikamenten mit Wirkstoffen wie beispielsweise Acetylsalicylsäure oder Metamizol-Natrium. Bei Bedarf kann auch die Kombination mit Mitteln gegen Übelkeit oder Betablockern, die auch vorbeugend wirken können, hilfreich sein.

Bei schweren Attacken oder ungenügender Wirksamkeit der vorher genannten Mittel können außerdem Triptane oder Medikamente gegen Epilepsie wie Topiramat dabei helfen, Migräneattacken zu reduzieren.

Überhaupt spielt Prophylaxe bei Migräne eine wichtige Rolle. Seit 2019 sind in Deutschland „CGRP-Antagonisten“ zur Migräne-Therapie zugelassen. CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) gelten als die wichtigsten auslösenden Botenstoffe bei Migräneattacken. Durch die CGRP-Antikörpertherapie wird der Botenstoff durch die enthaltenen Antikörper blockiert und dessen Migräne auslösende Wirkung gehemmt.
Patienten können sich den Wirkstoff mittels Autoinjektor einmal monatlich selbst injizieren. Allerdings kommt die Therapie aufgrund der hohen Kosten nur für Patienten mit schwerer Migräne, die mit den bisherigen Therapien keinen Erfolg erzielen konnten, in Betracht.

Botulinumtoxin

Botulinumtoxin kennen die meisten vor allem als Mittel im Kampf gegen Krähenfüße und Stirnfalten. Indem Botulinumtoxin die Kontraktion der Muskeln blockiert, können bestimmte Muskelfasern nicht länger angespannt werden, sodass Falten verschwinden. Aber auch für Hyperhidrose (Übermäßiges Schwitzen) hat sich die Therapie mit Botulinumtoxin bewährt.

Weitere Informationen zur Wirkungsweise von Botulinumtoxin

Spritzen gegen Migräne

Per Zufall wurde entdeckt, dass Botulinumtoxin auch gegen Migräne hilft. Der Wirkmechanismus geht mit einer Blockade bestimmter Synapsen einher und hemmt schmerzkontrollierende Überträgersubstanzen, was zu einer Reduktion der Schmerzen führt. Mittlerweile hat sich die Migräne-Therapie mit Botulinumtoxin gut bewährt.
Die Wirksamkeit ist bei chronischen Migräne-Patienten belegt: Bei vielen der Betroffenen senkt der Wirkstoff die Intensität der Migräne deutlich und verlängert die Abstände zwischen den Attacken. Bei der „Botox-Therapie“ gegen Migräne spritzt der Facharzt nach einem speziellen Injektionsschema Botulinumtoxin unter die Haut an Stirn, Schläfe oder Nacken. Diese Injektionen wirken rund drei Monate lang. Zeigt die Therapie Erfolg, wird der Facharzt die Abstände und die Dosierung gegebenenfalls anpassen.

Botulinumtoxin bei Migräne: Chancen, Risiken und Nebenwirkungen

Ziel der Migräne-Therapie mit Botulinumtoxin ist eine Verbesserung der Migräne um mindestens 30 Prozent bei chronisch Erkrankten. Zu den Vorteilen der Migräne-Prophylaxe mit Botulinumtoxin gehört, dass die möglichen Nebenwirkungen sehr gering sind: Einzig eine leichte Muskelschwäche im Bereich von Stirn und Augen tritt in seltenen Fällen auf. Doch allgemein vertragen die Patienten die Injektionen sehr gut. Angenehmer Nebeneffekt: Die Betroffenen benötigen nur alle drei Monate eine Injektion und müssen ansonsten nicht an die Medikation denken.

Wann übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Eine wichtige Voraussetzung für die Kostenübernahme der „Botox-Injektionen“ seitens der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland ist, dass eine chronische Migräne mit mehr als 15 Kopfschmerz-Tagen pro Monat vorliegt. Nur bei dieser Migräne-Form kommt eine Migräne-Therapie mit Botulinumtoxin auf Rezept in Frage. Außerdem müssen die Betroffenen vorher andere medikamentöse Therapien erfolglos ausprobiert oder diese nicht vertragen haben. Wer die Behandlung aus eigener Tasche zahlen möchte, muss mit 200 bis 400 Euro pro Sitzung rechnen.

Lebensstil & Migräne

Auslöser oder „Trigger“ für Migräne zu vermeiden, kann die Symptome der Erkrankung deutlich reduzieren. Diese können individuell variieren. Zu den typischen Auslösern zählen jedoch Schlafmangel, Stress, unausgewogene Ernährung, aber auch kaum beeinflussbare Faktoren wie Hormonumstellungen.
Zur Prophylaxe hingegen trägt Ausdauersport wie Schwimmen, Radfahren oder Joggen bei. Ebenso berichten viele Patienten von einem positiven Einfluss von Muskelentspannungs-Techniken, kognitiver Verhaltenstherapie sowie Biofeedback als Ergänzung zur medikamentösen Therapie.

Therapie-Erfolg: nicht heilen, sondern lindern

Egal für welche Therapie sich Patienten gemeinsam mit ihrem Arzt entscheiden: Ein Leben ohne Migräne ist in der Regel kein realistisches Ziel. Darum sollten Betroffene die Erwartung nicht zu hoch setzen. Als erfolgreich gilt eine Migräne-Therapie, wenn die „Migräne-Tage“ um 50 Prozent und mehr reduziert werden können. Ebenfalls möglich ist, die Intensität der Attacken abzumildern, sprich: weniger Schmerz, Schwindel und Unwohlsein. Mittelfristiges Ziel ist darum eine gesteigerte Lebensqualität, indem der Einfluss der Erkrankung abnimmt.

Um dies zu erreichen, sind gegebenenfalls mehrere Versuche notwendig: Bei manchen Patienten bringt beispielsweise eine Antikörpertherapie eine starke Verbesserung, bei anderen zeigt sie keinerlei Wirkung. Die Therapie mit Botulinumtoxin ist aufgrund der geringen Nebenwirkungen eine sinnvolle Ergänzung der Migräne-Therapie chronisch Erkrankter. Alle Betroffenen sollten zudem versuchen, ihren Lebensstil auf die Erkrankung abzustimmen: Vermeiden Sie Stress, schlafen Sie ausreichend und ernähren Sie sich ausgewogen. Wer zusätzlich regelmäßig Sport treibt, kann die Anzahl der Migräne-Attacken oft merklich und langfristig senken.