Nach wie vor sind psychische Erkrankungen ein großes Tabuthema in unserer Gesellschaft. Betroffene hüllen sich häufig in Schweigen, zu schwer wiegt die Angst vor Stigmatisierung und Ausgrenzung. Auf diese Weise entsteht ein Teufelskreis, der den Leidensdruck mitunter deutlich erhöht.
Umso wichtiger, dass es Initiativen wie den gemeinnützigen Verein Mutmachleute e.V. gibt. Hier zeigen Menschen mit psychiatrischen Diagnosen ihr Gesicht und tragen so wesentlich dazu bei, psychische Erkrankungen für die Allgemeinheit sichtbar zu machen. Mutmacher (und deren Angehörige sowie Experten) räumen mit Vorurteilen auf, reduzieren Berührungsängste und richten den Fokus auf positive Aspekte sowie Chancen, die eine solche Erkrankung durchaus mit sich bringen kann.
Die Mutmacher haben uns tief berührt und dazu bewogen, in diesem Beitrag nicht nur näher auf die Tabuisierung psychischer Erkrankungen einzugehen, sondern ebenso die Arbeit des Vereins Mutmachleute e.V. enger in den Blick zu nehmen.
Man sieht nur die im Lichte, die im Dunklen sieht man nicht
Psychische Erkrankungen fristen in unserer Gesellschaft ein Schattendasein. Während man aus einem Termin beim Orthopäden oder Zahnarzt keinen Hehl macht, wird gemeinhin eher verschwiegen, dass man einen Psychiater aufsucht. Der Grund? Seelische Probleme stoßen meist auf wenig Verständnis und sind stark vorurteilsbehaftet.
So wird dem an einer Depression Erkrankten gerne Trägheit und Bequemlichkeit vorgeworfen, Menschen mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis gelten als gemeingefährliche Sonderlinge und leidet man an einer Angststörung, bekommt man nicht selten zu hören, man solle sich doch nicht so anstellen.
In der Praxis ist man von einer Gleichstellung physischer und psychischer Erkrankungen demnach weit entfernt. Ganz im Gegenteil, psychiatrische Krankheiten erfahren in unserer Gesellschaft wenig Akzeptanz. Betroffene schämen sich und verbergen ihre Krankheit nach Kräften. Zu groß ist die Angst vor Stigmatisierung und deren Folgen. Das setzt eine Abwärtsspirale in Gang, der sich zusätzlich negativ auf die psychische Stabilität auswirkt.
Die Folgen der Stigmatisierung psychischer Erkrankungen
Die Folgen von Stigmatisierung und Diskriminierung aufgrund ihrer Erkrankung sind für Betroffene allgegenwärtig. Um nur einige zu nennen:
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- geringeres soziales Ansehen
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- schlechtere Bedingungen am Arbeitsmarkt
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- gesellschaftlicher Ausschluss
- Isolation und Vereinsamung
All dies erhöht den Leidensdruck immens. Was man dagegen tun kann? Aufklären, gesellschaftliches Bewusstsein schaffen und so zu einer Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen beitragen. Ein wunderbares Beispiel hierfür ist der Verein Mutmachleute e.V., den wir nachfolgend gerne vorstellen möchten.
Der gemeinnützige Verein Mutmachleute e.V.
Seit August 2018 sind die Mutmachleute ein eingetragener und gemeinnütziger Verein, gegründet vom Starks-Sture Verlag und der Agentur designmeetsmotion. Es geht den Mutmachern darum, den oben beschriebenen Teufelskreis zu durchbrechen. Mit Vorurteilen soll aufgeräumt werden, denn nur auf diese Weise lassen sich Stigmata langsam aber stetig abbauen.
Die Mutmacher arbeiten mit Engagement und Herzblut daran, die Öffentlichkeit für psychische Erkrankungen zu sensibilisieren und leisten nachhaltige Aufklärungsarbeit. Nur so können Vorurteile langfristig abgebaut werden. Das übergeordnete Ziel? Eine Gleichstellung physischer und psychischer Erkrankungen in unserer Gesellschaft! Was manchen womöglich recht hochgesteckt vorkommen mag, ist in Wirklichkeit längst überfällig. Der Verein Mutmachleute e.V. hat das erkannt. Er sensibilisiert, klärt auf und bewirkt Veränderung. Wie das gelingt? Allen voran durch Betroffene selbst.
„Lasst uns Mutmacher sein!“
Den Mutmachleuten geht es darum, zu sensibilisieren und langfristige Veränderung zu bewirken. Psychische Erkrankungen sollen nicht länger im Verborgenen bleiben, sondern für die Allgemeinheit sichtbar gemacht werden. Auf diese Weise ist es möglich, mit Vorurteilen aufzuräumen und Berührungsängste abzubauen. Dass damit allgegenwärtiger Stigmatisierung und Diskriminierung entgegengewirkt wird, ist eine logische Folge. Und wer kann all das erreichen, wenn nicht Betroffene selbst?
Menschen mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen verstecken sich nicht länger und zeigen ihr Gesicht. Sie erzählen ihre Geschichte und das ungeschönt und doch stets mit Fokus auf das Positive. „Lasst uns Mutmacher sein! Lasst uns den Stein ins Rollen bringen!“, so ist es auf der Homepage des Vereins zu lesen. Eine Strategie, die aufgeht! Immer mehr Betroffene nehmen sich kein Blatt mehr vor den Mund, machen Mut und motivieren so auch andere Betroffene dazu, seelische Erkrankungen für die Allgemeinheit sichtbar zu machen. Und auch Angehörige und Experten kommen zu Wort!
Mutmacher erzählen ihre Geschichte
Mutmacher erzählen ihre Geschichte und geben ihrer psychischen Erkrankung auf diese Weise ein Gesicht. Depression, Zwangsstörung, Borderline, Essstörung, Bipolare Störung, Posttraumatische Belastungsstörung und noch vieles mehr – nicht die Krankheit steht im Zentrum, sondern der Mensch dahinter! Die meisten der Betroffenen haben private und gesellschaftliche Stigmatisierung erlebt. Ausgrenzung, fehlendes Verständnis, Berührungsängste oder Diskriminierung kennen sie zur Genüge und möchten das so nicht länger hinnehmen.
Privates und öffentliches Umdenken muss stattfinden, damit es zur längst überfälligen Integration psychischer Erkrankungen in unser gesellschaftliches Selbstverständnis kommen kann. Und das bedeutet: Information, Auseinandersetzung und Aufräumen mit Vorurteilen. Menschen mit psychischen Erkrankungen verstecken sich nicht länger! Die Mutmacher zeigen ihr Gesicht, machen Mut, motivieren und inspirieren.
Mit Hilfe eines Fragebogens beschreiben Betroffene ihre Erfahrungen in Bezug auf gesellschaftliche Reaktionen auf ihre psychische Erkrankung. Gedanken dazu, welche Reaktion man sich vom Umfeld wünschen würde und was einem dabei hilft, die Krankheit zu akzeptieren, kommen ebenfalls nicht zu kurz. Außerdem wird deutlicher Fokus auf persönliche Ressourcen, Stärken und positive Charaktereigenschaften gelegt. Denn diese helfen maßgeblich dabei, mit der Erkrankung im Alltag zurecht zu kommen.
Angehörige und Professionisten kommen ebenfalls zu Wort
Den Angehörigen psychisch erkrankter Menschen kommt bei den Mutmachleuten ebenfalls eine wichtige Rolle zu. Auch sie zeigen ihr Gesicht und positionieren sich, indem sie ehrliche Worte finden, die Mut machen. Ihr persönlicher Umgang mit der Diagnose, mögliche Hilfsangebote sowie eigene Wünsche und Bedürfnisse finden hier Platz. Darüber hinaus wird auch in dieser Rubrik der Fokus auf das Positive und Wertschätzende gelegt. Ebenso werden die eigenen Ressourcen in den Blick genommen.
Nicht zuletzt porträtiert der Verein Mutmachleute auch Experten. Diese teilen nicht nur ihren Erfahrungsschatz aus der professionellen Arbeit mit Menschen mit psychischen Erkrankungen, sie geben ebenso wertvolle Informationen in Bezug auf gesellschaftliche Vorurteile weiter. Darüber hinaus werden neben möglichen Therapieansätzen auch besondere Charaktereigenschaften Betroffener in den Blick genommen. Die Liste der eingetragenen Experten reicht von Ärzten, Psychologen oder Pädagogen bis hin zu Therapeuten verschiedener Fachrichtungen (zum Beispiel systemische Ansätze) oder Coaches. Besonders hervorzuheben sind Peer-Berater (Beratung durch Menschen, die selbst betroffen sind).
Berührungsängste abbauen und Hemmschwellen überwinden
Der gemeinnützige Verein Mutmachleute e.V. ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie Entstigmatisierung funktionieren kann. Psychische Erkrankungen werden nicht nur sichtbar gemacht und so der Teufelskreis aus Vorurteilen und Versteckspiel durchbrochen, gleichzeitig werden Hemmschwellen überwunden und Berührungsängste abgebaut. Dreh- und Angelpunkt in diesem Prozess? Immer die Betroffenen selbst, denn immerhin sind sie Experten in eigener Sache und schaffen es deshalb wie niemand sonst, mit Vorurteilen aufzuräumen.
Auf Positives fokussieren
Die Mutmacher nehmen Positives in den Blick. Sie richten den Fokus auf Stärken und Perspektiven der Betroffenen. Es ist ein ressourcenorientierter Ansatz: weg von vermeintlichen Schwächen, hin zum Potential, das sich aus psychischen Erkrankungen speisen kann. Seien es etwa bemerkenswerte Charaktereigenschaften wie Empathie, Körpergefühl oder Kreativität oder die bewundernswerte Kraft, sein Leben zu meistern – nicht trotz der psychischen Erkrankung, sondern mit dieser!