Beim Pseudotumor cerebri – fachsprachlich als idiopathische intrakranielle Hypertension bezeichnet – handelt es sich um eine Druckerhöhung im Schädelinneren, die ohne eine raumfordernde Ursache wie etwa einen Tumor entsteht. Typische Anzeichen der chronischen Erkrankung sind unspezifische Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel Übelkeit und Erbrechen, doch auch Sehstörungen treten auf. Im schlimmsten Fall droht der Verlust des Sehvermögens, was eine rasche Diagnose und Behandlung dringend notwendig macht. Mehr zum Thema erfahren Sie folgend.
Was versteht man unter einem Pseudotumor cerebri?
Pseudotumor cerebri kennt man als chronische Erkrankung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Hirndruck ohne erkennbare Ursache ansteigt. Eigentlich ist der Begriff veraltet, wird aber immer noch gerne verwendet. Die korrekte Bezeichnung lautet mittlerweile idiopathische intrakranielle Hypertension (kurz: IHH), wobei man in der Fachliteratur zuweilen auch von der benignen intrakraniellen Hypertension liest.
„Idiopathisch“ deutet schon darauf hin, dass keine anderen Erkrankungen oder Störungen ursächlich sind. Wenngleich der Anstieg des Drucks im Schädelinneren auf keine konkrete organische Ursache wie etwa einen Tumor zurückzuführen ist, verursacht er unangenehme Symptome. Vorrangig leiden Betroffene unter heftigen Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Sehstörungen. Die idiopathische intrakranielle Hypertension ist als Krankheitsbild eher selten, wobei man davon ausgehen muss, dass sie häufig schlicht nicht erkannt wird. Aktuell werden verschiedene Ursachen und Risikofaktoren für das Ansteigen des Hirndrucks diskutiert.
Idiopathische intrakranielle Hypertension: Daten und Fakten
Deutschlandweit geht man von etwa 800 Neuerkrankungen pro Jahr aus, was die idiopathische intrakranielle Hypertension zu einer seltenen Erkrankung macht. Da Kopfschmerz ein Leitsymptom ist, muss man davon ausgehen, dass die Dunkelziffer relativ hoch ist. Viele Betroffene suchen keinen Arzt auf, oder es kommt zu falschen Migräne-Diagnosen.
Grundsätzlich können beide Geschlechter betroffen sein, wobei Frauen bis etwa 45 Jahre weitaus häufiger an IIH leiden als Männer. Etwa 90 % aller diagnostizierten Fälle entfallen auf Frauen, was unter anderen hormonelle Ursachen in den Fokus rückt. Auch Kinder können betroffen sein, wobei hier zwischen den Geschlechtern keine Unterschiede in der Häufigkeit festzustellen sind.
Welche Arten von Pseudotumor cerebri lassen sich unterscheiden?
Je nachdem, ob die Ursachen völlig unklar sind, oder ob bestimmte Umstände gegeben sind, die den erhöhten Hirndruck erklären könnten, werden in der Literatur grob zwei Formen von Pseudotumor cerebri unterschieden:
Primäre Form: Es gibt keine erkennbaren Ursachen, die mit dem erhöhten Hirndruck in Zusammenhang gebracht werden könnten (etwa Verengung in den Hirnvenen oder die Einnahme bestimmter Medikamente). Es liegt also eine idiopathische intrakranielle Hypertension im beschriebenen Sinn vor.
Sekundäre Form: Es gibt konkrete Umstände, die den erhöhten Hirndruck rein theoretisch verursachen könnten (etwa Verengungen in den Hirnvenen oder die Einnahme bestimmter Medikamente).
Wie zeigt sich die idiopathische intrakranielle Hypertension?
Durch das Ansteigen des Hirndrucks kommt es zu unterschiedlichen Symptomen. Diese treten durchaus unspezifisch auf, wodurch sie sich nicht gut einordnen lassen. Zudem zeigen sie sich individuell – schleichend oder rasch an Intensität zunehmend. In der Regel nehmen Beschwerden beim Pseudotumor cerebri eine chronische Form an.
Leitsymptome sind neben Kopfschmerzen vorrangig Schwindel, Sehstörungen und Übelkeit mit Erbrechen. Darüber hinaus gibt es weitere Anzeichen. So fühlt sich der Nacken mitunter steif an und schmerzt. Auch die Augenpartie ist zuweilen schmerzempfindlich. Zudem kann Tinnitus auftreten, der pulsierend wahrgenommen wird. Nicht zuletzt berichten Betroffene von unangenehmen Riechstörungen.
Da Kopfschmerzen – oftmals sehr stark bis migräneartig – ein Leitsymptom der idiopathischen intrakraniellen Hypertension darstellen, kommt es nicht selten zur Fehldiagnose Migräne. Der Schmerz kann sich immer wieder kurz bemerkbar machen, längere Zeit andauern oder auch chronisch sein. Er kann den gesamten Kopfbereich betreffen oder sich halbseitig zeigen. Die Kopfschmerzen fallen durchaus auch sehr intensiv aus. Mitunter sind sie von Übelkeit und Erbrechen begleitet. Ihre Intensität kann sich durch Bewegung verändern.
Der steigende Hirndruck beeinflusst zudem den Sehnerv, was Sehstörungen hervorrufen kann. Diese reichen von einer minimalen Verschlechterung der Sehschärfe beziehungsweise einer kleinen Einschränkung des Gesichtsfeldes über Doppelbilder bis hin zur kompletten Einengung des Gesichtsfeldes. Im schlimmsten Fall droht eine Erblindung, die nicht umkehrbar ist. Die zunehmende Verschlechterung des Sehens nehmen Betroffene über einen langen Zeitraum gar nicht richtig wahr. Oftmals wird sie leider erst dann deutlich, wenn sie schon stark vorangeschritten ist. Der dauerhafte Verlust der Sehfähigkeit ist als schwerwiegendste Auswirkung der idiopathischen intrakraniellen Hypertension zu nennen.
Pseudotumor cerebri: Symptome im Überblick
- Kopfschmerzen
- Übelkeit mit Erbrechen
- Schwindel
- Sehstörungen bis hin zum Erblinden
- Schmerzen im Bereich der Augen
- Nackenschmerzen/Nackensteifigkeit
- Tinnitus (pulsierend)
- Riechstörungen
Welche Gründe hat der Pseudotumor cerebri?
Die konkrete Ursache der idiopathischen intrakraniellen Hypertension ist unklar. Man hat aber einige mögliche Gründe und Risikofaktoren im Verdacht.
Da die Erkrankung vorwiegend Frauen im gebärfähigen Alter betrifft, ist nicht nur das Geschlecht als Risikofaktor zu sehen, sondern auch hormonelle Ursachen. Hier werden vor allem Hormonstörungen, hormonelle Verhütung oder die Gabe von Wachstumshormonen genannt. Weiters zeigt sich, dass die idiopathische intrakranielle Hypertension auffallend häufig mit starkem Übergewicht einhergeht. Auch Verengungen in den Hirnvenen gelten als klassischer Risikofaktor. Nicht zuletzt dürfte nicht nur ein Überschuss von Vitamin A eine Rolle spielen, sondern auch die Einnahme bestimmter Medikamente wie etwa Antibiotika (Tetrazykline), Lithium oder Kortison. Ebenso wird Eisenmangel als Risikofaktor für Pseudotumor cerebri diskutiert
Pseudotumor cerebri: Ursachen und Risikofaktoren im Überblick
- Geschlecht (betrifft besonders häufig Frauen bis 45)
- Verengungen in den Hirnvenen
- hormonelle Ursachen (Hormonstörungen, hormonelle Verhütung,…)
- Gabe von Wachstumshormonen
- Übergewicht/Adipositas
- Vitamin-A-Überschuss
- Medikamenteneinnahme (Tetrazykline, Lithium, Kortison,…)
- Eisenmangel
Wie wird IHH diagnostiziert?
Die Diagnose des Pseudotumors cerebri ist eine Ausschlussdiagnose. Nach gründlicher Anamnese sowie körperlicher und neurologischer Untersuchung kommen eine ganze Reihe Diagnoseverfahren zum Einsatz, um diverse Ursachen für Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel und Sehstörungen auszuschließen. Mehrere Fachärzte, etwa Neurologe, Augenarzt oder Radiologe, sind hier involviert. Die wichtigsten Untersuchungen sind bildgebende Verfahren, eine umfassende augenärztliche Abklärung sowie die Untersuchung des Liquors (Hirnwasser).
Bildgebende Verfahren: Hier kommen CT sowie MRT zur Anwendung. Das Gehirn wird genau untersucht, um zu sehen, ob Gründe wie Tumore, Thrombosen, Venenverengungen oder Entzündungen vorliegen.
Augenärztliche Untersuchung: Eine umfassende augenärztliche Untersuchung dient dazu, Sehstörungen oder Erkrankungen des Auges als Ursache für die Beschwerden auszuschließen. Wesentlich ist die Spiegelung des Augenhintergrundes. Zeigt diese eine Stauungspapille (Schwellung an der Einmündung des Sehnervs in die Netzhaut) auf, liefert das einen deutlichen Hinweis für das Vorliegen einer idiopathischen intrakraniellen Hypertension.
Untersuchung des Liquors/Lumbalpunktion: Aus dem Rückenmarkskanal wird Hirnwasser entnommen und dabei der Liquordruck gemessen. Zudem wird dessen Zusammensetzung im Labor untersucht. Bei einem intrakraniellen Druck von über 20 cm/H20 (Wassersäule) spricht man von einem erhöhten Druck. Bei starkem Übergewicht wird gemeinhin der Referenzwert 25 cm/H20 herangezogen. Zeigt das Hirnwasser im Labor zudem keine Auffälligkeiten, gilt die idiopathische intrakranielle Hypertension als bestätigt.
Wie behandelt man den Pseudotumor cerebri?
Die Therapie der idiopathischen intrakraniellen Hypertension gestaltet sich individuell, je nach vorliegenden Symptomen und deren Ausprägung. Langfristig gilt es natürlich, den Hirndruck zu senken. Damit sinkt auch das Risiko für Sehstörungen und eine dauerhafte Schädigung des Sehnervs wird verhindert. Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten – von der Minimierung diverser Risiken über die Einnahme von Medikamenten bis hin zu medizinischen Eingriffen. Invasive Maßnahmen kommen in der Regel dann zum Einsatz, wenn konservative Methoden keine Linderung bringen beziehungsweise das Sehvermögen bedroht ist und der Hirndruck rasch gesenkt werden muss.
Vermeidung von Risikofaktoren
Entscheidend ist in erster Linie eine Gewichtsreduktion bei Übergewicht und das Halten des Normalgewichts. Das lindert Beschwerden oftmals langfristig. Darüber hinaus kann eine Reduktion der Vitamin A-Aufnahme, das Absetzen hormoneller Verhütung oder die Behandlung vorliegender Hormonstörungen hilfreich sein.
Einnahme von Medikamenten
Es gibt diuretisch wirksame Medikamente, die dazu beitragen können, den Hirndruck dauerhaft zu senken. Hier kommt etwa Acetazolamid zum Einsatz. Parallel dazu erfolgt eine Schmerztherapie mit Analgetika, um die Kopfschmerzen einzudämmen.
Lumbalpunktion sowie Stent/Shunt
Eine kurzfristige und rasche Senkung des Hirndrucks erreicht man durch die schon beschriebene Lumbalpunktion, bei der Hirnwasser abgelassen wird. Langfristig werden bei Bedarf aber Stents beziehungsweise Shunts gesetzt, um das Hirnwasser gezielt ableiten zu können.
Weitere Verfahren
Nur selten ist eine Optikusscheidenfensterung zur Druckentlastung des Sehnervs notwendig. Der Eingriff wird dann vorgenommen, wenn sich die Stauungspapille nicht beseitigen lässt und somit das Sehvermögen gefährdet ist.
Ist Pseudotumor cerebri heilbar?
Bei entsprechender Diagnose und Therapie ist die Prognose der idiopathischen intrakraniellen Hypertension gut. Symptome lassen sich deutlich reduzieren und nur in einzelnen Fällen können Dauerkopfschmerzen nicht verringert beziehungsweise beseitigt werden. Bei rascher Behandlung kann beim Großteil der Patienten zudem eine dauerhafte Schädigung des Sehvermögens verhindert werden. Da es aber in etwa zehn Prozent aller Fälle zu einem Wiederauftreten des Pseudotumors cerebri kommt, sind regelmäßige Verlaufskontrollen wichtig. Die Lebenserwartung ist bei der idiopathischen intrakraniellen Hypertension übrigens nicht reduziert.
Wie gestaltet sich der Alltag mit Pseudotumor cerebri?
Die idiopathische intrakranielle Hypertension verursacht vor allem vor der Diagnosestellung oftmals massiven Leidensdruck. Die vielseitigen Symptome schränken nicht nur den Alltag ein, sondern sorgen auch für einen Ärztemarathon, wenn der Pseudotumor cerebri nicht erkannt wird. Neben körperlichen Einschränkungen durch die chronische Erkrankung kommt es nicht selten zu psychischen Beschwerden. Dabei sind Therapiemethoden und Prognose bei entsprechender Diagnosestellung gut. Stehen Patienten mit idiopathischer intrakranieller Hypertension endlich in Behandlung, stellt sich in der Regel rasch Besserung ein. Damit diese dauerhaft beibehalten werden kann, sind nicht zuletzt regelmäßige Verlaufskontrollen wichtig. Zudem gilt es, die wesentlichen Risikofaktoren – allen voran Übergewicht – möglichst zu minimieren.