Alle paar Monate macht ein neues Superfood auf sich aufmerksam – zu Chiasamen, Weizengras oder Gojibeeren gesellt sich auch die Spirulina-Alge.
Was hinter der vermeintlichen Wunderalge Spirulina steckt, welche Nährstoffe sie liefern soll und ob die Einnahme wirklich gesundheitliche Vorteile bringt, oder ob Spirulina ihren Ruf nur gutem Marketing zu verdanken hat, soll Inhalt dieses Beitrags sein.
Was ist Spirulina?
Spirulina zählt zur Gattung der Cyanobakterien und wird umgangssprachlich auch gerne als Blaualge bezeichnet. Dabei ist dieser Ausdruck irreführend, handelt es sich biologisch doch um ein Bakterium und keine Alge. Grundsätzlich lassen sich über 30 Arten unterscheiden, die jedoch – je nach Nährstoffgehalt und pH-Wert des Wassers – ausgesprochen rasch ihre Form verändern. Damit ist wissenschaftlich nicht ganz ausgeschlossen, dass es sich bei den vermeintlich verschiedenen Unterarten doch um ein und dasselbe Bakterium handeln könnte.
Spirulina zählt zu den ältesten Lebewesen unserer Erde. Durch Fossilienfunde lässt sich belegen, dass das Bakterium schon vor Milliarden von Jahren existiert haben muss. Die wissenschaftliche Theorie, dass die Blaualge durch Sauerstoffabgaben die heutige Erdatmosphäre beeinflusst hat, scheint da nicht so abwegig.
Spirulina – Vorkommen und Verwendung
Spirulina kommt vorwiegend in stark alkalischen Salzseen (mit pH-Werten zwischen 9 und 11) vor, sehr viel seltener in Süßgewässern. Nachdem flache, tropische bis subtropische Gewässer ideale Wachstumsbedingungen bieten, ist die Blauage in seiner natürlichen Form vorwiegend in Mittelamerika, Südostasien, Afrika, Australien und Mexiko beheimatet. Dort findet man es auch ganz selbstverständlich auf dem Speiseplan Einheimischer.
In unseren Breiten wird Spirulina als Nahrungsergänzungsmittel verkauft und findet als beliebtes Superfood reißenden Absatz. So werden jährlich sagenhafte 3000 Tonnen davon aus kommerziellem Anbau an den zahlenden Kunden gebracht. Dabei ist Spirulina als Nahrungsergänzung nicht ganz so neu. Schon in den 80er Jahren wurde die Blaualge eifrig als „Schlankmacher“ beworben und fand so Einzug in mitteleuropäische Haushalte.
Tatsächlich ist Spirulina in Ländern mit beschränktem Angebot an Nahrungsmitteln ein wichtiger Nährstofflieferant für die Bevölkerung. Diese Bedeutsamkeit wird von der WHO sogar extra herausgestrichen. Inwiefern sich das aber auf gut versorgte Industrienationen umlegen lässt, sei dahingestellt.
Wie wird Spirulina gewonnen?
Spirulina lässt sich industriell ohne viel Aufwand produzieren und das in großen Mengen. Dabei greift man aber kaum auf den natürlichen Lebensraum der Alge zurück, sondern legt riesige seichte Wasserbecken an. Das in solchen Aquakulturen gewonnene Bakterium gedeiht grundsätzlich sehr anspruchslos, wichtig sind allerdings Belichtung und Wärme (etwa 35 Grad Celsius) sowie die Zufuhr von Kohlendioxid und Sauerstoff. Die Ernte wird gefiltert oder zentrifugiert und anschließend entweder gefrier- oder heißluftgetrocknet. Danach lässt sich Spirulina nach Belieben weiterverarbeiten.
Gigantische Wasserfarmen entstehen naheliegenderweise überall dort, wo die Sonneneinstrahlung entsprechend hoch ist und/oder (sub-)tropisches Klima vorherrscht, etwa in Hawaii, Indien, Taiwan oder Kalifornien.
In welcher Form ist Spirulina erhältlich?
Als Nahrungsergänzungsmittel ist Spirulina in nahezu jeder erdenklicher Form erhältlich. Ob als Presslinge, Pulver, Kapseln, Tabletten (auch zum Lutschen), Flocken, Flakes, Tropfen oder Extrakt – der Konsument kann aus den Vollen schöpfen. Auch verarbeitete Produkte wie Müsli, Smoothies oder Eis finden Absatz, ebenso wie Beautyprodukte, denen das Bakterium zugesetzt ist. Darüber hinaus soll nicht nur der Mensch profitieren, das Angebot für Haustiere ist ebenso reichhaltig.
Erhältlich sind Spirulina-Produkte im niedergelassenen Handel, vorwiegend in Reformläden, Bio-Läden, Drogeriemärkten oder auch Apotheken. Ebenso boomt der Online-Handel, wobei man als Konsument hier tunlichst die Bezugsquelle prüfen sollte. Darüber hinaus darf natürlich nicht vergessen werden, dass es sich bei Spirulina lediglich um ein Nahrungsergänzungsmittel handelt. Es ist kein Nahrungs- oder Arzneimittel und darf als solches auch nicht ausgewiesen oder beworben werden.
Spirulina: Welche Nährstoffe enthält die Blaualge?
Spirulina darf durchaus als sehr nährstoffreich bezeichnet werden. Mit 60 % Proteingehalt ist es eine echte Eiweißbombe. Auch die Zusammensetzung von Vitaminen und Mineralstoffen kann sich sehen lassen. So enthält Spirulina besonders viel Kalzium, Magnesium, Eisen, Selen sowie Beta-Karotin. Hervorgehoben wird in die Regel auch ihr hoher Gehalt an B-Vitaminen, besonders an Vitamin B12. Dieses liegt allerdings größtenteils inaktiv vor.
Spirulina: Welche gesundheitlichen Vorteile sagt man der Alge nach?
Nachdem Spirulina durchaus mit hohem Nährstoffgehalt aufwarten kann, sagt man der Alge mannigfaltige Gesundheitswirkung nach. Generell sind solche Zuschreibungen aber natürlich mit Vorsicht zu genießen und auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Vor allem natürlich in Anbetracht der Tatsache, dass es sich eben um Nahrungsergänzung und kein Arzneimittel handelt. Die Wirkung von Spirulina wird breit diskutiert, ist aber nicht bis kaum belegt. So sollen sich diverse gesundheitliche Vorteile durch das Bakterium ergeben. Angefangen über positive Wirkung auf das Immunsystem, bestehende Allergien oder den Stoffwechsel über Stabilisierung des Herz-Kreislauf-Systems bis hin zu verbesserter Leistungsfähigkeit und Senkung des Krebsrisikos, ist das angebliche Wirkspektrum breitgefächert.
Aktuell diskutierte gesundheitliche Wirkungen von Spirulina im Überblick:
- Stärkt das Immunsystem, wirkt antiviral und entzündungshemmend
- Wirkt sich positiv auf Allergien aus
- Beeinflusst den Stoffwechsel günstig (Senkung der Blutfettwerte und Blutzuckerwerte)
- Stabilisiert das Herz-Kreislauf-System, wirkt blutdrucksenkend
- Wirkt entgiftend/antioxidativ (bindet freie Radikale und schützt so vor oxidativem Stress; verlangsamt Alterungsprozesse; wirkt sich positiv auf die Entgiftungsorgane aus)
- Verringert das Krebsrisiko
- Leitet Schwermetalle (zum Beispiel Quecksilber) aus dem Körper aus
- Verbessert die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit
- Wirkt sich positiv auf das Verdauungssystem aus
- Ist eine wichtige Quelle für Protein bzw. Vitamin B12 (und damit für Veganer relevant)
Ist Spirulina tatsächlich gesund?
Wenngleich Spirulina als wahrer Tausendsassa angepriesen wird, gibt es keine wissenschaftlichen Belege bezüglich der gesundheitlichen Wirkung. Vorhandene Studienergebnisse müssen vorsichtig interpretiert werden, immerhin fanden Versuche hauptsächlich an Tieren oder im Reagenzglas statt. Nennenswerte klinische Studien an Menschen existieren nicht oder mit einer viel zu geringen Anzahl an Probanden.
Dass die gesundheitliche Wirkung von Spirulina nicht belegt ist, darauf verweisen auch Verbraucherzentralen. Der Konsument sollte also nicht aus dem Blick verlieren, dass es sich bei den beliebten Blaualgen-Produkten um Nahrungsergänzungsmittel handelt und nicht um Arzneimittel. Gesundheitsbezogene werbende Aussagen sind demnach verboten.
Ist Spirulina als Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll?
Ganz unabhängig vom Produkt gilt: Nahrungsergänzungsmittel sollten eigentlich nur dann genutzt werden, wenn eine Indikation vorliegt. Ein allzu unreflektierter Umgang mit solchen Produkten ist durchaus bedenklich. Im besten Falle wirft man unnötig Geld beim Fenster heraus, im schlimmsten Falle drohen Nebenwirkungen oder gar gesundheitliche Schäden. Eine kritische Betrachtungsweise erscheint also durchaus sinnvoll
Im Falle von Spirulina ist eine gesundheitsfördernde Wirkung jedenfalls nicht belegt. Darüber hinaus muss darauf hingewiesen werden, dass die beinhalteten Nährstoffe in ihrer Menge und Form für Menschen in Industrienationen, die ohnehin als gut versorgt gelten, keinen Mehrwert haben.
So mag es zwar stimmen, dass der Proteingehalt der Blaualge mit etwa 60 % recht hoch ist, jedoch müssen hier Relationen in den Blick genommen werden. Eine Spirulina-Tablette beinhaltet etwa 1-2 Gramm Protein. Man kann sich also leicht ausrechnen, wie viel von dem Nahrungsergänzungsmittel notwendig wäre, um den Tagesbedarf von rund 50 Gramm zu decken. Hier macht es also eher Sinn, unsere gängigen Proteinlieferanten (Vollkornprodukte, Kartoffeln, Hülsenfrüchte,…) entsprechend in den Speiseplan einzubinden. Darüber hinaus ist eine Unterversorgung mit Proteinen in unseren Breiten ohnehin wenig wahrscheinlich.
Der hohe Anteil an Vitamin B12 macht Spirulina für vegan lebende Menschen interessant. Zwar ist das Bakterium tatsächlich sehr reich an Vitamin B12, zum größten Teil liegt es allerdings in inaktiver Form vor. Der Mensch kann daher nur einen Bruchteil davon verwerten. Unter dieser Prämisse gibt es für Veganer weit sinnvollere Alternativen, um Vitamin B12 zu supplementieren.
Zwar mögen verschiedene Mineralstoffe und Vitamine (Kalzium, Magnesium, Eisen, Selen, Beta-Karotin,…) in den beliebten Spirulina-Produkten stecken, doch das ist bei unserem reichhaltigen Nahrungsmittelangebot ebenfalls der Fall. Zudem müssen diese in Industrienationen eher selten supplementiert werden, es sei denn, das Blutbild zeigt einen Mangel auf (z.B.: Eisen).
Nicht zuletzt wird der Gehalt an Chlorophyll hervorgehoben, wenn es darum geht, gesundheitliche Vorteile von Spirulina näher zu beleuchten. Das mag zwar stimmen, trifft jedoch auf grünes Obst und Gemüse ebenfalls zu. So steckt in grünem Blattgemüse (Spinat, Grünkohl,…), Brokkoli, Erbsen, Gurken oder Kiwi besonders viel des Pflanzenfarbstoffes.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Spirulina zwar einiges zu bieten hat, unsere heimischen Lebensmitteln da aber mit Leichtigkeit mithalten können. Mangelernährungen beugt die Blaualge allerdings dort vor, wo ein reichhaltiges Nahrungsangebot fehlt – in Hungergebieten!
Weitere Informationen zu heimischen Superfoods
Worauf sollte man beim Kauf von Spirulina achten?
Es existieren keine festgelegten Qualitätsstandards für Spirulina-Nahrungsergänzung, weshalb es beim Kauf einige Dinge zu beachten gilt. Auf diese Weise lässt sich das Risiko, an minderwertige, mit Schadstoffen belastete Produkte zu gelangen, reduzieren.
Qualitativ hochwertige Ware sollte auf Rückstände kontrolliert sein und idealerweise aus geschlossenen Produktionssystemen stammen. Um Hersteller, die ihre Ware auf dubiosen Internetseiten anbieten, macht man am besten einen Bogen. Darüber hinaus sollte das Produkt möglichst wenig Zusatzstoffe enthalten. Idealerweise besteht es aus 100 % reinem Spirulina. Bei Pulvern und Granulaten ist das sogar vorgeschrieben. In seiner Reinform weist das Pulver einen matten, dunkelgrünen Farbton auf. Ein zu leuchtendes Grün ist ein Zeichen dafür, dass Bindemittel beigemengt wurde.
Spirulina-Produkte: Risiken und Nebenwirkungen
Menschen mit Phenylketonurie (Störung des Aminosäurestoffwechsels) sollten unbedingt auf Spirulina verzichten. Dieses beinhaltet nämlich Phenylalanin, wodurch sich die Symptomatik verschlimmern kann. Ebenso können Spirulina-Nahrungsergänzungsmittel aufgrund zugesetzter Inhaltsstoffe allergische Reaktionen begünstigen. Darüber hinaus bindet das Bakterium Eisen. Bei regelmäßigem Verzehr von Spirulina-Produkten kann also die Eisenversorgung in Mitleidenschaft gezogen werden.
Da Spirulina zumeist in offenen System produziert wird, sind außerdem Verunreinigungen, etwa mit Darmbakterien, Kleinstlebewesen (Wasserflöhe) oder anderen Cyanobakterien möglich. Auch Schwermetallbelastungen (Blei, Quecksilber, Arsen,…) können aufgrund von verunreinigtem Wasser vorkommen.
Spirulina: Welche Alternativen gibt es?
Zweifelsfrei trägt Spirulina in Hungergebieten zu einer besseren Versorgung mit Nährstoffen bei und ist daher besonders geeignet, dem Hunger der Welt etwas entgegenzusetzen. In Nationen, in denen ein breitgefächertes Nahrungsmittelangebot vorherrscht, ist der Mehrwert allerdings begrenzt. Die Alternative zu Spirulina-Produkten in unseren Breiten? Eine gesunde und ausgewogene Ernährungsweise mit viel frischem Gemüse und Obst, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Fleisch, Fisch und Milchprodukten. Diese versorgt uns gemeinhin mit allen Nährstoffen, die wir benötigen, um fit und gesund zu bleiben.