Melatonin als sanfte Einschlafhilfe?

 

In Amerika sind Melatonin-Produkte in Form von Tabletten, Säften, Gummibärchen oder Sprays gerne genutzte Einschlafhilfen. Auch in unseren Breiten sind mittlerweile viele dieser vermeintlichen Müdemacher erhältlich. Was ist dran an dem Hype? Hilft das Schlafhormon tatsächlich, oder handelt es sich dabei lediglich um überteuerte Gummibärchen?

Folgender Artikel soll rund um das Thema Melatonin als Einschlafhilfe informieren. Dabei werden Vor- und Nachteile sowie Grenzen und Risiken aufgeführt. Auch Tipps und Tricks für einen gesunden Schlaf als Alternative zu freiverkäuflichen Produkten dürfen nicht fehlen.

Was ist Melatonin und wofür brauchen wir es?

Melatonin als Einschlafhilfe ist nicht nur sprichwörtlich in aller Munde. Doch was ist Melatonin eigentlich genau? Dass Melatonin als Schlafhormon bezeichnet wird, kommt nicht von ungefähr. Das Hormon, das vorrangig in der Zirbeldrüse des Gehirns gebildet wird, steuert unseren Tag-Nacht-Rhythmus. Sein natürlicher Gegenspieler ist dabei das Stresshormon Cortisol, das den Stoffwechsel ankurbelt und uns tagsüber wach und fokussiert hält. Im komplexen Zusammenspiel mit anderen Hormonen sorgen Melatonin und Cortisol dafür, dass unsere innere Uhr so funktioniert, wie sie funktionieren soll. Dabei gibt es leider so einiges, das das natürliche Gleichgewicht durcheinanderbringen kann. Schlafprobleme sind dann vorprogrammiert.

Die Ausschüttung von Melatonin ist maßgeblich davon abhängig, wie viel Licht auf unsere Netzhaut trifft. Der Wirkmechanismus ist rasch erklärt: Bei Tageslicht wird die Bildung von Melatonin stark gedrosselt, bei Dunkelheit steigt der Melatoninspiegel im Blut um ein Vielfaches an. Das Schlafhormon sorgt dann dafür, dass unser Körper in den Ruhemodus findet. Der Stoffwechsel wird verlangsamt, Körpertemperatur und Blutdruck sinken. Die vermehrte Melatoninausschüttung reguliert unseren Schlaf und wirkt sich positiv auf körpereigene Regenerationsprozesse sowie das Immunsystem aus.

Übrigens ist es nicht ungewöhnlich, dass der Melatoninspiegel mit steigendem Alter etwas abfällt. So kann man vor allem bei Personen über 55 Jahren eine verringerte Produktion des Hormons beobachten.

Melatonin-Produkte auf dem Vormarsch

Gerade in den letzten Jahren erobern freiverkäufliche Melatonin-Produkte in allen Formen und Farben den Markt. Das von außen zugeführte Hormon soll – so zumindest das Werbeversprechen – den Schlaf auf natürliche Weise anstoßen und damit die Schlafqualität erheblich verbessern. Anders als bei herkömmlichen Schlafmitteln seien Nebenwirkungen kaum zu erwarten, Gewöhnungseffekte oder gar eine Abhängigkeit würden sich zudem nicht einstellen.

Für Personen, die an Schlafproblemen bis hin zur Schlaflosigkeit leiden, sind das zweifellos verheißungsvolle Aussichten. Kein Wunder also, dass die Präparate reißenden Absatz finden und der Handel mit Melatonin-Produkten floriert. Von jungen Erwachsenen über Menschen, die mitten im Berufsleben stehen bis hin zu Rentnern – der Kundenstamm ist gut durchmischt. Mancherorts wird das Hormon als sanfte Einschlafhilfe sogar für Kinder angepriesen und in Form von bunten Melatonin-Gummibärchen durchaus an die Zielgruppe angepasst.

Welche Melatonin-Produkte gibt es?

Melatonin-Präparate als Einschlafhilfe werden in großer Vielfalt und unterschiedlicher Darreichungsform angeboten. So ist für jeden Geschmack etwas dabei. In Apotheken, Drogerien oder Reformhäusern findet man das freiverkäufliche Hormon etwa ganz klassisch in Form von Dragees und Kapseln zum Schlucken oder als Lutschtabletten. Auch in Form von Saft oder Tee kann man Melatonin kaufen. Als Schlafspray, der ganz einfach in den Mund gesprüht wird, wandert es ebenso über den Ladentisch wie als Tropfen. Über die Schleimhäute im Mund soll das Hormon nämlich angeblich besonders gut aufgenommen werden können. Beliebt ist Melatonin nicht zuletzt in Form von Weichgummis – vor allem bei der jüngeren Generation.

Viele Präparate enthalten übrigens nicht nur das schlaffördernde Hormon selbst, sondern auch zusätzliche Inhaltsstoffe, die einen gesunden Schlaf fördern und sich positiv auf das körperliche und seelische Wohlbefinden auswirken sollen. Solche sind neben Hopfen, Melisse, Baldrian oder Passionsblume etwa auch B-Vitamine.

Wie wirken Melatonin-Gummibärchen und Co.?

Bei den freiverkäuflichen Melatonin-Produkten, die mittlerweile überall erhältlich sind, handelt es sich nicht – wie fälschlicherweise häufig angenommen – um Arzneimittel, sondern um Nahrungsergänzungsmittel. Damit dürfen sie nicht mehr als 1 mg Melatonin enthalten, zudem muss keinerlei therapeutische Wirkung belegt sein und auch mögliche Nebenwirkungen werden nicht angeführt.

Grundsätzlich wirkt das von außen zugeführte Melatonin ebenso wie das körpereigene Hormon nur kurz – es wird nämlich relativ rasch in der Leber abgebaut. Bei einem zu niedrigen Hormonspiegel im Blut können freiverkäufliche Melatonin-Produkte diesen kurzzeitig anheben und so eventuell das Einschlafen erleichtern. Anders als häufig suggeriert, haben Melatonin-Nahrungsergänzungsmittel allerdings keinerlei Einfluss auf das Durchschlafen oder die Schlafqualität selbst. Die Datenlage zur Wirkungsweise von Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel selbst ist bisher übrigens noch relativ mager.

Von freiverkäuflichen Melatonin-Produkten abzugrenzen ist Melatonin als verschreibungspflichtiges Medikament. In Deutschland ist hier ein Präparat zugelassen, das für Personen ab 55 Jahren zur Kurzzeittherapie eingesetzt wird. Es handelt sich dabei um Retard-Tabletten, bei denen es zur verzögerten Freisetzung von hochdosiertem Melatonin kommt.

Ist zu viel Melatonin gefährlich?

Melatonin kann grundsätzlich kaum überdosiert werden, weil die Leber das Hormon recht rasch abbaut. Bei freiverkäuflichen Präparaten lässt die Wirkung nach etwa 20-40 Minuten schon wieder nach. Dass es zu schweren Risiken und Nebenwirkungen kommt, ist demnach kaum zu erwarten. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass es bisher keine ausreichende Datenlage gibt, vor allem was Langzeiteffekte angeht. So sollte man von Melatonin-Produkten bei Kindern, Schwangeren und Stillenden in jedem Fall absehen, auch wenn sie als scheinbar natürliche Mittel im Handel angepriesen werden. Darüber hinaus ist bei Autoimmunerkrankungen, Herzerkrankungen oder Störungen der Nieren- sowie Leberfunktion Vorsicht geboten. Besser man bespricht die Einnahme im Vorfeld mit dem behandelnden Arzt. Das ist auch dann angezeigt, wenn Medikamente eingenommen werden.

Bei der Einnahme von Melatonin-Tabletten und Co. ist natürlich auch immer die Gefahr gegeben, dass tatsächliche Gründe der Schlaflosigkeit unberücksichtigt bleiben. Zu sehr wiegt man sich in Sicherheit, dem Körper mit dem Schlafhormon etwas Gutes zu tun. Dabei lohnt es sich häufig, etwas genauer hinzuschauen. Oft reicht es schon, die eine oder andere Gewohnheit umzustellen, um wieder in einen erholsamen Schlaf zu finden.

Weitere Informationen zu Schlafproblemen und möglichen Ursachen

Können Melatonin-Präparate Nebenwirkungen verursachen?

Wenngleich Nebenwirkungen durch freiverkäufliche oder auch verschreibungspflichtige Melatonin-Produkte selten sind, ganz auszuschließen sind sie nicht. Als häufigste unerwünschte Wirkung streichen Experten allerdings heraus, dass ganz einfach kein Effekt eintritt.

Darüber hinaus kommt es darauf an, wie viel Melatonin man einnimmt und wie sensibel der eigene Körper darauf reagiert. Bei den verschreibungspflichtigen, hochdosierten Retard-Tabletten können durchaus unangenehme Begleiterscheinungen auftreten. Ähnliche Effekte stellen sich womöglich ein, wenn freiverkäufliche Medikamente innerhalb eines kurzen Zeitraums wiederholt eingenommen werden.

Unerwünschte Nebenwirkungen in Zusammenhang mit Melatonin sind körperliche Reaktionen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Unwohlsein, Sodbrennen oder Bauchschmerzen. Manchmal treten auch verstärkte Albträume, seltener allergische Reaktionen auf. Vor allem bei verschreibungspflichtigen Medikamenten kann es durch die verzögerte Wirkstofffreigabe bei unregelmäßiger Einnahme zu vermehrter Schläfrigkeit tagsüber kommen. Auch kann hochdosiertes Melatonin Nieren und Leber belasten, weshalb es als Kurzzeitmedikament eingesetzt wird.

Lohnen sich Melatonin-Produkte als Einschlafhilfe?

Trägt man sich mit dem Gedanken, freiverkäufliche Melatonin-Produkte als Einschlafhilfe auszuprobieren, sollte einem bewusst sein, dass die Wahrscheinlichkeit eines Effektes ausgesprochen gering ist. Eine Wirkung stellt sich nämlich allenfalls dann ein, wenn der Melatoninspiegel zu gering ist, was häufig nicht der Fall ist – vor allem nicht bei jüngeren Menschen. Zudem darf an dieser Stelle auch betont werden, dass ein geringerer Melatoninspiegel nicht zwangsläufig zu Schlafproblemen führen muss.

Älteren Personen oder Personen, bei denen der Tag-Nacht-Rhythmus etwa durch Schichtarbeit oder ein Jetlag verschoben ist, können Melatonin-Produkte eventuell kurzfristig dabei helfen, den Schlaf anzustoßen. Das Durchschlafen beziehungsweise die Schlafqualität beeinflussen sie jedoch nicht positiv. Grundsätzlich ist es sinnvoll, eine Melatonin-Einnahme – selbst wenn es sich „nur“ um Nahrungsergänzungsmittel handelt – im Vorfeld mit dem Hausarzt abzuklären. Wenn heftige Nebenwirkungen oder Schäden auch nicht zu erwarten sind, ist eine dauerhafte Einnahme nicht zu empfehlen. Stattdessen lohnt es sich, möglichen Ursachen für die Schlaflosigkeit auf den Grund zu gehen und Alternativen auszuprobieren, um den Schlaf langfristig zu verbessern. Schon allein deshalb, weil die Einnahme von Melatonin keine Dauerlösung darstellt.

Für Kinder und Jugendliche sollten Melatonin-Präparate ohne triftigen Grund – der ärztlich abzuklären wäre – überhaupt nicht in Erwägung gezogen werden. Erstens sind kaum Effekte zu erwarten, weil der Melatoninspiegel bei jungen Menschen kaum zu niedrig ist, zweitens führt das eventuell zu einer ungünstigen Schlafhygiene. Immerhin wird suggeriert, dass man nur etwas einnehmen muss, wenn man von selbst nicht in den Schlaf findet. Dabei ist es bei Kindern und Jugendlichen mit Schlafproblemen besonders wichtig, das Schlafverhalten genauer in den Blick nehmen und hier sanft regulierend einzugreifen.

Einschlaftipps ganz ohne Melatonin

Ob man freiverkäuflichen Melatonin-Produkten nun eine Chance gibt oder nicht – zur Langzeitanwendung sind sie nicht gedacht. Ganz unabhängig davon macht es also immer Sinn, Maßnahmen zu ergreifen, um die Schlafqualität dauerhaft zu verbessern. Oftmals reicht schon wenig aus, um viel zu bewirken. Die besten Tipps für einen ruhigen und erholsamen Schlaf dürfen also abschließend nicht fehlen:

Auf eine schlaffördernde Umgebung setzen: Um gut ein- und durchschlafen zu können, ist es wichtig, dass das Schlafzimmer nicht überheizt ist. Zudem macht es Sinn, vor dem Schlafengehen großzügig durchzulüften und für eine abgedunkelte Schlafumgebung zu sorgen – dann klappt es auch mit der körpereigenen Melatonin-Ausschüttung besser.

Technik vor dem Schlafengehen meiden: Was viele gar nicht wissen: blaues Licht drosselt die Melatoninausschüttung! Daher ist es sinnvoll, etwa ein bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen TV, Handy und Laptop zu meiden. Weitere Informationen zu den Auswirkungen von „blauem Licht“

Auch Magen und Darm müssen abschalten können: Läuft die Verdauung auf Hochtouren, können auch wir nicht abschalten. Auf schwere Mahlzeiten und Alkohol sollte abends also besser verzichtet werden. Darüber hinaus macht es Sinn, Tee und Kaffee ab nachmittags koffeinfrei zu genießen.

Auspowern ist angesagt: Häufig ist es Bewegungsmangel, der uns den Schlaf raubt. Ist der Körper nicht ausgepowert, kommt er schwer zur Ruhe. Was hilft? Moderate Bewegung tagsüber, am besten an der frischen Luft.

Auch Erwachsenen tun Rituale gut: Einschlafrituale sind nicht nur für Kinder wichtig, auch Erwachsenen tun sie gut. Vom warmen Entspannungsbad über Tee und Musik bis hin zum spannenden Roman – erlaubt ist, was guttut.

Entspannungstechniken ausprobieren: Wer abends schwer zur Ruhe kommt, der sollte Entspannungstechniken eine Chance geben. Meditation, Yoga oder progressive Muskelentspannung stoppen das Gedankenkarussell, das uns gerne am Einschlafen hindert. Alternativ hilft es auch, belastende Gedanken vor dem Zubettgehen einfach niederzuschreiben.

Weil wir Gewohnheiten mögen: Vielen Menschen hilft es bei Schlafproblemen, immer um dieselbe Zeit ins Bett zu gehen und aufzustehen – auch am Wochenende.

Auf die Kraft der Natur setzen: Tees auf Basis von Passionsblume, Lavendel, Melisse oder Hopfen helfen bei Einschlaf- und Durchschlafstörungen auf sanfte Art und Weise.