Unter Vulvodynie versteht man chronische Beschwerden und Schmerzzustände im weiblichen Genitalbereich. Obwohl viele Frauen im gebärfähigen Alter davon betroffen sind und der Leidensdruck sehr hoch ist, ist die Vulvodynie noch kaum erforscht. Leider sind mitunter auch Fachärzte mit dem Beschwerdebild wenig vertraut, weshalb die Diagnosestellung oftmals einer Odyssee gleicht.
Folgender Beitrag soll rund um das Thema Vulvodynie sowie verbundene Beschwerden informieren und Therapiemöglichkeiten aufzeigen. Auch darüber hinaus können betroffene Frauen im Alltag einiges ausprobieren, um sich Linderung zu verschaffen.
Was ist Vulvodynie?
Bei einer Vulvodynie handelt es sich um chronische Beschwerden und Schmerzzustände im Intimbereich. Diese können punktuell auftreten oder aber den gesamten Intimbereich betreffen. Wesentlich dabei ist, dass sich eine konkrete Ursache für die Missempfindungen nicht ausmachen lässt. Das Krankheitsbild ist bisher noch recht unbekannt, obwohl man von einer durchaus hohen Anzahl betroffener Frauen ausgehen muss. In der Regel ist mit Vulvodynie großer Leidensdruck verbunden. Die Diagnosestellung ist schwierig und ist oftmals mit jahrelanger Unklarheit verbunden.
Missempfindungen und Schmerzen beziehen sich auf die äußeren Geschlechtsorgane, generell oder punktuell. Ist die gesamte Vulva betroffen – was häufig der Fall ist – spricht man von einer generalisierten Vulvodynie. Schmerzen ziehen durchaus auch bis in den Analbereich. Punktuell sind häufig der Bereich des Scheideneingangs mitsamt kleiner und großer Schamlippen betroffen (Vestibulodynie) oder auch der Bereich rund um die Klitoris (Klitorodynie). Missempfindungen können sowohl ohne konkreten Auslöser vorhanden sein oder von außen provoziert werden, etwa durch Fahrradfahren, Geschlechtsverkehr oder zu enge Kleidung.
Wie äußert sich Vulvodynie?
Vulvodynie zeigt sich anhand verschiedener Symptome und ist gemeinhin mit großem Leidensdruck verbunden. Die Schmerzen werden in ihrer Qualität und Intensität ganz unterschiedlich beschrieben – von stechend über brennend bis hin zum Gefühl kleiner Stromstöße. Sie treten schleichend oder plötzlich auf. Leitsymptome sind neben generellem Schmerz Juckreiz, Brennen sowie Scheidentrockenheit. Die Schleimhaut ist gereizt und kann auch verfärbt sein. Zudem ist ein Gefühl des Wundseins vorherrschend. Bei manchen Betroffenen kommt es zum Brennen beim Wasserlassen bis hin zu Blutbeimengungen im Urin.
Berührungen der Geschlechtsorgane sowie moderater Druck werden als sehr schmerzhaft empfunden. So können etwa Fahrradfahren, Sitzen oder das Einführen eines Tampons zur Zerreißprobe werden. Penetration beim Geschlechtsverkehr wird als überaus unangenehm empfunden, manchmal ist sie sogar unmöglich. Schmerzen halten danach oftmals noch tagelang an, was sich zwangsläufig auf das Sexualleben auswirkt.
Vulvodynie: Symptome im Überblick
- Stechende oder brennende Schmerzen in der Intimregion (schleichend oder plötzlich)
- Juckreiz und Brennen
- Schleimhautreizungen und Verfärbungen
- Wundsein
- Scheidentrockenheit
- Schmerzen beim Wasserlassen, seltener Blutbeimengungen
- Starkes Missempfinden bei Druck (Fahrradfahren, Sitzen,…)
- Penetration ist sehr schmerzhaft bis unmöglich
- Negative Auswirkungen auf Lustempfinden und Sexualleben
- Starker Leidensdruck/psychische Belastung
Vulvodynie: Daten und Fakten
Vulvodynie kann spontan auftreten oder durch äußere Reize ausgelöst werden, wobei man dann von einer provozierten Vulvodynie spricht. Man unterschiedet außerdem zwischen primärer Vulvodynie, die ohne erkennbare Ursachen auftritt sowie der sekundären Vulvodynie als Begleiterscheinung anderer Erkrankungen.
Die Datenlage ist noch mager, das Beschwerdebild bisher recht wenig erforscht. Grundsätzlich kann man von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, da Scham sowie falsche Diagnosen häufig dazu führen, dass die Vulvodynie gar nicht erst diagnostiziert wird. Man geht aktuell davon aus, dass mindestens jede zehnte Frau zumindest einmal im Leben mit entsprechenden Beschwerden kämpft. Vorwiegend sind Frauen im gebärfähigen Alter betroffen, doch auch nach den Wechseljahren kann eine Vulvodynie auftreten. Seltener zeigen sich Beschwerden im Kindesalter, meist werden sie erst mit Einsetzen der Geschlechtsreife schlagend. Auslöser dürften hier durchaus auch erste sexuelle Erfahrungen oder etwa das Einführen eines Tampons sein (provozierte Vulvodynie).
Exakte Ursachen für das Krankheitsbild können bisher nicht ausgemacht werden, vielmehr stehen verschiedene Faktoren im Fokus. Das Beschwerdebild beziehungsweise die Intensität der Schmerzen sind durchaus auch von Faktoren wie dem Zyklus, Stress, der Witterung oder körperlicher Anstrengung abhängig.
Welche Ursachen hat Vulvodynie?
Grundsätzlich sind die Gründe der Vulvodynie noch wenig erforscht. Aktuell geht man davon aus, dass verschiedene Faktoren bei der Entstehung des Beschwerdebildes ungünstig zusammenspielen. Diese sind unterschiedlicher Natur, es kommen körperliche, psychische, soziale oder genetische Faktoren als Auslöser in Betracht. Auffallend häufig sind es wiederkehrende genitale Infektionen, die die Vulvodynie triggern, aber auch hormonelle und genetische Einflüsse dürften eine Rolle spielen, ebenso wie überschießende Immunreaktionen. Nicht zuletzt nehmen seelische Belastungen oder traumatische Erfahrungen in der Vergangenheit Einfluss. Zudem ist eine Komorbidität mit chronischen Erkrankungen wie Fibromyalgie oder dem Reizdarmsyndrom gegeben.
Vulvodynie: Ursachen und Risikofaktoren im Überblick
- Genetische Faktoren
- Häufige vaginale Infektionen
- Vorangegangene Infektionen oder Verletzungen des Gewebes (Blasenentzündungen, Pilzinfektionen, Feigwarzen, Geburtsverletzungen,…)
- Erhöhte Schmerzempfindlichkeit/ erhöhte Anzahl an Nervenfasern im Intimbereich
- Nervenschädigungen
- Schwache Beckenbodenmuskulatur
- Überschießende Immunreaktionen (vor allem im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen oder Allergien)
- Falsche Intimhygiene
- Seelische Traumata und/oder psychischer Stress
Wie wird Vulvodynie diagnostiziert?
Frauen, die an Vulvodynie leiden, berichten häufig von einem langen und steinigen Weg bis zur Diagnosestellung. Ärzte sind mit dem Krankheitsbild oftmals wenig vertraut und so ist die Konsultation verschiedener Fachärzte eher die Regel als die Ausnahme. Mit falschen Diagnosen gehen auch falsche Therapiemaßnahmen einher, etwa die wiederholte Gabe von Antibiotika oder Antimykotika. Das zeigt auf, wie wichtig es ist, Vulvodynie sowohl in Fachkreisen als auch bei der breiten Bevölkerung bekannter zu machen. Ein wesentlicher Pfeiler ist zudem eine besonders gründliche Anamnese.
Die Diagnose der Vulvodynie ist stets eine Ausschlussdiagnose. Andere Erkrankungen, die die Symptome hervorrufen könnten, müssen vorab ausgeschlossen werden. Das sind etwa Infektionen, Hauterkrankungen, chronische Schmerzerkrankungen, Allergien oder Autoimmunreaktionen. Eine gründliche Untersuchung der äußeren und inneren Geschlechtsorgane ist wesentlich. Neben einem Abstrich kann auch eine Gewebebiopsie Aufschluss geben.
Vulvodynie wird dann diagnostiziert, wenn keine anderen Erkrankungen für die Beschwerden ursächlich sind und die Symptome seit mindestens drei Monaten bestehen. Zudem darf der Genitalbereich keine Schleimhautschäden oder krankhaften Veränderungen aufweisen.
Wie kann man Vulvodynie behandeln?
Im Hinblick auf Vulvodynie gibt es keine ursächliche Behandlung, vielmehr kommen verschiedene Therapieansätze zum Einsatz, um die Symptomatik – und damit den Leidensdruck – möglichst gering zu halten. Patientinnen müssen durchaus Geduld mitbringen, denn nicht immer kristallisiert sich die passende Therapie sofort heraus und auch mit Rückschlägen ist leider zu rechnen.
Die Behandlung der chronischen Schmerzzustände wird individuell an die Frau sowie vorherrschende Beschwerden angepasst. Auch vermutete Ursachen können einbezogen werden. Es ist durchaus sinnvoll, wenn verschiedene Fachrichtungen kooperieren und unterschiedliche Therapieansätze kombiniert werden (multimodale Therapie). Für die Behandlung einer Vulvodynie kommen neben Gynäkologen etwa Dermatologen, Neurologen, Schmerzmediziner, Psychiater, Physiotherapeuten oder Psychotherapeuten infrage. Neben klassischer Schulmedizin probieren manche Patientinnen auch gerne alternative Methoden aus. Ob nun Medikamente wie Schmerzmittel oder Antidepressiva bei Vulvodynie zum Einsatz kommen, Ansätze wie Physiotherapie, Massagen oder Lasertherapie ausprobiert werden, oder aber Entspannungstechniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung Anwendung finden – sinnvoll ist, was hilft.
Vulvodynie: Therapieansätze im Überblick
Die Bandbreite möglicher Behandlungsansätze bei Vulvodynie ist groß. Dementsprechend dauert es manchmal ein wenig, bis Betroffene die passende Therapie für sich gefunden haben. Die gängigsten Therapieansätze folgend im Überblick:
Medikamentöse Behandlung bei Vulvodynie:
- Schmerzmittel (NSAR, Lokalanästhetika,…)
- Botulinumtoxin (als Injektionen)
- Hormonsalben
- Muskelrelaxanzien
- Antidepressiva
Physikalische/Manuelle Behandlungsmöglichkeiten:
- Physiotherapie und Osteopathie
- Beckenbodengymnastik
- Massagen (etwa Triggerpunktmassage)
- Akupunktur
- Lasertherapie
- Stoßwellentherapie
- Biofeedback
Begleitende Therapiemaßnahmen:
- Psychiatrische Behandlung
- Psychotherapie
Alternative Ansätze:
- Atemtherapie/Meditation
- Autogenes Training
- Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
- Hypnose
Darüber hinaus wird bei Vulvodynie moderate Bewegung wie Spazieren, Wandern, Schwimmen oder Yoga empfohlen. Fokus liegt auf einer Kräftigung des Beckenbodens. Nicht zu vernachlässigen ist zudem das seelische Wohlbefinden. Regelmäßige Auszeiten zur Reduktion von Stress wird als ebenso hilfreich erlebt wie die Vernetzung mit anderen Betroffenen.
Vulvodynie: Verlauf und Prognose
Nachdem die konkreten Ursachen der Vulvodynie nicht geklärt sind, ist keine ursächliche Behandlung möglich. Damit ist das Krankheitsbild im engeren Sinne nicht heilbar, die Therapie beschränkt sich auf eine symptomatische Behandlung. Eine gute ärztliche und therapeutische Versorgung sowie eine individuell sinnvolle Kombination von Behandlungsansätzen können jedoch maßgeblich dazu beitragen, die Beschwerden gering zu halten und den Leidensdruck zu reduzieren. Einen möglichst schmerzfreien Alltag zu ermöglichen und so die Lebensqualität zu steigern hat oberste Priorität.
Tipps, um den Alltag mit Vulvodynie zu erleichtern
Neben klassischen oder alternativen Behandlungsansätzen tragen einfache Verhaltensmaßnahmen im Alltag dazu bei, Symptome der Vulvodynie zu reduzieren. Nicht nur Beckenbodentraining, moderate Bewegung, Stressreduktion und Entspannung sind hilfreich, es ist zudem ratsam, die eigene Intimhygiene in den Blick zu nehmen. Seife, Duschgel oder parfümiertes Toilettenpapier gilt es zu vermeiden. Die Vulva wird am besten mit klarem Wasser gereinigt, um sie nicht unnötig zu reizen. Zudem sollten Slipeinlagen, Binden und Tampons so naturbelassen wie möglich und keinesfalls mit Duftstoffen versetzt sein.
Auch die Wahl der richtigen Kleidung kann dazu beitragen, Beschwerden der Vulvodynie zu reduzieren. So ist von Unterwäsche aus Synthetikfasern unbedingt abzuraten. Am besten verwendet man Modelle aus Baumwolle oder Seide. Diese sollten nicht mit Weichspüler gewaschen werden. Wichtig ist zudem ein lockerer Sitz von Unterwäsche, Hosen und Röcken, um Reibung zu reduzieren. Ein Schaumgummiring aus dem Fachhandel kann für Entlastung beim Sitzen sorgen. Bei sitzenden Tätigkeiten im beruflichen Kontext hilft es, zwischendurch aufzustehen und ein wenig umherzugehen. Für manche Betroffene ist ein Stehpult eine gute Alternative.
Auch beim Sport gilt es, übermäßigen Druck und Reibung möglichst zu reduzieren. Möchte man auf Reiten oder Fahrradfahren nicht verzichten, können Spezialsattel helfen. Zu viel Chlor im Schwimmbecken oder Whirlpool verstärkt die Beschwerden oftmals. Nasse Badebekleidung sollte möglichst rasch gewechselt werden. Bei akuten Beschwerden können zudem – je nach persönlichen Vorlieben – Wärme oder Kälte Linderung verschaffen.