Medizinische Tattoos – für ein natürliches Hautbild

medizinisches Tattoo
 

Haut mit Farbe zu schmücken – das ist eine Tradition, die Jahrtausende zurückreicht: Bereits die über 5.000 Jahre alte Gletschermumie „Ötzi“ hatte Tätowierungen. War der dauerhafte Körperschmuck zu Beginn des 20. Jahrhunderts Seeleuten oder Häftlingen vorbehalten, sind Tattoos heute wieder en vogue: Jeder Fünfte in Deutschland hat mindestens eins. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine neue Art von Tätowierungen herausgebildet, die im Zusammenhang mit medizinischen Therapien zum Einsatz kommt: Medical Tattooing. Dabei geht es nicht darum, die Haut mit Motiven zu verzieren, sondern sie möglichst realistisch nachzubilden.

Was sind medizinische Tattoos?

Einige Forscher vermuten sogar beim alten Ötzi „Medical Tatoos“, also Tätowierungen mit einem Zusatznutzen für die Gesundheit. Denn möglicherweise zeugen die geometrischen Formen mit Farbpigmenten aus Kohle von Akupunktur-Techniken. Allerdings verfolgt „Medical Tattooing“ heute einen ganz anderen Zweck: Es geht darum, Haut und Körperformen naturgetreu abzubilden. Medizinische Tätowierungen zielen darauf ab, körperliche Versehrtheiten in Form von Verletzungen, Operationsnarben oder Amputationen zu kaschieren

Ein Prinzip, viele Bezeichnungen

Medical Tattooing, zu Deutsch „die medizinische Tätowierung“, vereint Tätowierkunst mit den Ansätzen des Permanent-Make-ups, bei dem beispielsweise fehlende Augenbrauen nachgebildet werden. Wird Medical Tattooing nach einer Krebsbehandlung angewendet, um Operations-Narben zu kaschieren oder Brustwarzen zu imitieren, gehört dies zum Teilbereich der onkokosmetischen Behandlungen. Weitere Bezeichnungen für Medical Tattoos sind: Mikropigmentierung und medizinische Dermopigmentierung. Im englischen Sprachraum verstehen wir unter „Medical Tattoos“ hingegen Informationen über die Blutgruppe oder eine Diabetes-Erkrankung, die tätowiert werden. Was wir als „medizinische Tätowierung“ bezeichnen, heißt dort „Paramedical Tattoo“.

Teilweise verschwimmen die Grenzen zu Permanent Make-up. Wie beim Permanent Make-up handelt es sich bei der Mikropigmentierung um die Arbeit mit Farbpigmenten, die sich innerhalb von einem Zeitraum von bis zu fünf Jahren wieder abbauen. Verblassen die Farbpigmente, ist das Erneuern jedoch weniger aufwändig. Auch eine Kombination von klassischer und medizinischer Tätowierung ist möglich: Das medizinische Pigmentieren macht Narben unauffälliger, daneben überdeckt ein buntes Wunschmotiv einen Teil der Narbe. 

Beispiele für Medical Tattooing

Die weltweit erste datierte medizinische Tätowierung nach unserem Verständnis führte der Tätowierer Horst Streckenbach 1976 durch: Nach einer Mastektomie, der Entfernung einer Brust, bildete er die Brustwarzen mit Farbpigmenten nach. Das nach ihm benannte Streckenbach-Verfahren fand Einzug in die medizinische Literatur. Mitte der 1980er Jahre führte sein „Schüler“ Manfred Kohrs weitere Brustwarzen-Rekonstruktionen in Deutschland durch und schulte Ärzte im Umgang mit der speziellen Tätowiernadel.

Wir stellen Ihnen einige Einsatzbereiche vor, bei denen medizinische Tätowierungen Patienten heute dabei helfen, sich wieder wohl in ihrer Haut zu fühlen.

Brustwarzenrekonstruktion

Die bereits erwähnte Nachbildung der Brustwarzen spielt heute die größte Rolle im Bereich Medical Tattooing. Für Frauen, die durch eine Brustkrebs-Operation keine Brustwarzen mehr haben, kann die Situation sehr belastend sein. Medical Tattooing in Kombination mit einer Brustrekonstruktion hilft den Betroffenen, sich wieder wohl in ihrem Körper zu fühlen und ein Stück Normalität zurückzugeben. Mehr über den Ablauf einer Brustwarzen-Pigmentierung finden Sie im Abschnitt „Wie läuft Medical Tattoing ab?“ 

Narben behandeln

Oft haben Betroffene das Gefühl, dass große Narben sie stigmatisieren. Dies gilt für Narben, die von Selbstverletzungen – zum Beispiel Schnitte an den Unterarmen – zeugen. Aber auch für Operations-, Unfall- oder Verbrennungsnarben. Camouflage hilft nur für ein paar Stunden. Doch als „medizinisches Make-up“ kann ein Tattoo das Hautbild dauerhaft verbessern. Zum einen, indem die Tätowiernadel die Kollagenfasern „zersticht“ – ein ähnlicher Effekt wie beim „Needling“ von Narben. Dadurch werden diese elastischer. Zum anderen können Medical Tattoos Farbunterschiede zwischen Narbe und Haut ausgleichen. So wird die Verletzung nicht unsichtbar, aber unauffälliger. Auch nach Hauttransplantationen ermöglichen Medical Tattoos ein natürliches Erscheinungsbild. Nicht jede Narbe eignet sich für eine Mikropigmentation. Eine Ersteinschätzung des Experten gibt realistische Aussichten auf die Erfolgschancen.

Weitere Informationen zur Narbenkorrektur

Weißfleckenkrankheit ausgleichen

Bei der Weißfleckenkrankheit (Vitiligo) haben Betroffene unpigmentierte, weißlich aussehende Hautstellen, die wie Flecken wirken. Viele fühlen sich davon gestört – vor allem, wenn diese im Gesicht oder an den Händen auftreten. Mittels einer Mikropigmentierung kann der natürliche Hautton nachgeahmt werden, um Betroffenen zu einem harmonischen Hautbild zu verhelfen.

Weitere Informationen zur Behandlung von Vitiligo

Fingernägel nachbilden

Ein neuer Bereich der medizinischen Pigmentierungen ist das Tätowieren von Fingernägeln auf Stümpfe, die durch den Verlust eines Fingerglieds entstanden sind. 

Mikropigmentierung für Gesichtshaare

Beim Permanent Make-up geht es nicht nur darum, dauerhaft Mascara im Gesicht zu verewigen, sondern auch Haare wie Wimpern und Augenbrauenhaare oder Lippenkonturen abzubilden. Dieses Prinzip macht sich auch die medizinische Mikropigmentierung zunutze. Sie kann notwendig sein, weil Narben die Augenbrauen oder Lippen unterbrechen. Ein Medical Tattoo gleicht zum Beispiel unregelmäßige Lippenkonturen nach einer Lippenspalten-Operation aus. 

Wie läuft Medical Tattooing ab?

Grundsätzlich gilt es, nach Operationen oder Unfällen, die Narben verursachen, eine Wartezeit von rund sechs Monaten einzuhalten. Erst dann ist die Haut bereit für die Pigmentierung. Auch nach einer Mastektomie benötigt der Körper Zeit, sich zu erholen. Bestrahlungen sollten abgeschlossen und die Haut regeneriert sein. Vor dem Termin bei einem Experten für medizinische Tätowierungen sollte darum immer ein Arzt grünes Licht geben. 

Nach einem ausführlichen Beratungsgespräch erfolgt die eigentliche Mikropigmentierung. Bei der Brustpigmentierung erfolgt diese in mehreren Schritten: 

Vorbereitung: Betäubungssalbe und Desinfektion schützen vor Schmerzen und sichern die Hygiene.

Vorzeichnung: Anhand einer Vorzeichnung der Areola, des Brustwarzenhofs, können Sie das künftige Ergebnis abschätzen.

Pigmentierung: Mit einem Handstück, das an einen Stift erinnert und digital unterstützt ist, wird die Pigmentierung durchgeführt. Die sterile, austauschbare Nadel bewegt sich dabei wie bei der Tätowierung auf und ab. Die Behandlung ist schmerzfrei, doch können Sie ein leichtes Vibrieren spüren.

Feinarbeit: Mit verschiedenen Farbnuancen und Techniken, die Schatten imitieren, lassen sich täuschend echt aussehende Brustwarzen abbilden.

Die Dauer der Behandlung variiert. Das Nachbilden einer Mamille dauert zirka 40 Minuten pro Brust. Doch mit anspruchsvoller Feinarbeit und 3D-Tätowierungen können auch zwei bis drei Stunden anfallen. Nach vier bis sechs Wochen erfolgt eine Kontrolluntersuchung, bei der Nachbesserungen erfolgen können. Auch weitere Details wie Drüsen oder feine Äderchen können ergänzt werden. Es kann eine weitere Kontrollsitzung nach einem Monat stattfinden, um das Ergebnis zu perfektionieren.

Bei Narbenbehandlungen sind häufig mehrere Sitzungen notwendig. Denn die vernarbte Haut nimmt die Farbe unterschiedlich auf. 

Pflege nach Medical Tattooing

Tätowierte Haut bedarf einer speziellen Pflege. Die Tätowierung besteht aus vielen winzigen Verletzungen der Haut. Darum sollten Sie frisch pigmentierte Hautstellen abdecken und nach Anweisung durch den Experten pflegen. Hierzu gehört in den ersten Tagen mehrmals tägliches Einreiben mit einem fettfreien Wundgel. Der Experte für Medical Tattooing wird Ihnen genaue Anweisungen geben, die Sie einhalten sollten, um ein schönes Ergebnis zu bewahren. Vermeiden Sie Schwitzen über dem Tattoo sowie intensive Sonneneinstrahlung in den ersten vier Wochen. Schützen Sie die Haut auch bei leichter Sonneneinstrahlung mit einer Sonnencreme.

Risiken und Nebenwirkungen von Medical Tattoos

Bei einem fachkundigen Experten durchgeführt, beinhalten medizinische Pigmentierungen ein geringes Risiko für Nebenwirkungen. Häufig sind kleine Rötungen unmittelbar nach der Behandlung, die schnell abheilen. Möglich sind allergische Reaktionen auf die Farbpigmente. Diese können sofort oder Monate später, begünstigt durch Sonneneinstrahlung, auftreten. Bei anorganischen Farbpigmenten sinkt die Gefahr für allergische Reaktionen.

Das größte Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen nach Medical Tattooing geht von unsachgemäßen Behandlungen aus. Zum Beispiel durch mangelnde Hygiene oder Unkenntnisse über die Reaktionen vernarbter Haut. Hierdurch können Narben sich verschlimmern – zum Beispiel, wenn ein Tätowierer zu tief ins Gewebe sticht – oder Verletzungen erfolgen. Manche Kosmetikstudios werben mit „medizinischer Pigmentierung“, um zum Beispiel Dehnungsstreifen oder Sommersprossen zu kaschieren. Seien Sie skeptisch. Denn häufig ist die aufhellende Wirkung von Tätowierungen unbefriedigend und die Gefahr groß, dass die Dehnungsstreifen zu einer unvorhersehbaren Verteilung der Farbe im umliegenden Gewebe führen – anschließend sehen sie auffälliger aus als vorher.

Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um ein geeignetes Tattoostudio zu finden, das mit medizinischen Tätowierungen vertraut ist. In vielen Fällen kann der behandelnde Arzt Sie an entsprechende Experten, zum Beispiel Praxen für ästhetische Chirurgie oder spezialisierte Kosmetikstudios, weiterleiten.

In seltenen Fällen kommt es nach Pigmentierungen der Haut zu Infektionen. Diesen ist durch hygienisches Arbeiten und entsprechende Hautpflege vorzubeugen. Ein seriöses Kosmetikstudio oder Tattoostudio informiert vorab auch über mögliche negative Folgen auf das Erscheinungsbild der Haut. 

Was kosten Medical Tattoos?

Nach einer Brustkrebsoperation übernehmen die meisten gesetzlichen Krankenkassen die Nachbildung von Brustwarzen bei einem Spezialisten für medizinische Pigmentierung. Klären Sie die Kostenübernahme vor der Behandlung ab. Beteiligt sich die Krankenkasse nicht, ist mit Kosten von bis zu 800 Euro pro Brust zu rechnen, wobei die Preise stark variieren können. Narben-Pigmentierungen sind immer in Eigenleistung zu zahlen, die Preise variieren je nach Ausprägung und Zeitaufwand.

Wer ist der richtige Ansprechpartner für Medical Tattooing?

Vor einer medizinischen Tätowierung sollten Sie immer den Rat eines Dermatologen oder anderen behandelnden Arztes in Anspruch nehmen, um herauszufinden, ob der entsprechende Hautbereich hierfür geeignet ist. Nach einem Brustaufbau sind beispielsweise Ärzte für plastische Chirurgie Ansprechpartner. In vielen Fällen kann der behandelnde Arzt Sie an entsprechende Experten, zum Beispiel Praxen für ästhetische Chirurgie oder spezialisierte Tattoo- bzw. Kosmetikstudios , weiterleiten.

Viele Betroffene stellen sich nun die Frage? Eignen sich normale Tätowierstudios für Medical Tatoos? Gut möglich, dass viele Tätowierer rein technisch gute Ergebnisse erzielen können. Allerdings ist der Beruf des Tätowierers im deutschsprachigen Raum nicht geschützt. Es gibt weitere Gründe, medizinische Tätowierungen nicht im Tattoo-Studio um die Ecke stechen zu lassen. Vernarbte Haut stellt andere Ansprüche an Tätowierungen als gesunde. Das Pigmentieren von Narben erfordert darum spezielle Kenntnisse. Spezialisten für Mikropigmentierung verfügen über darauf abgestimmtes Know-how und passende Geräte. Außerdem haben sie spezielle Farben, die jeden Hautton nachbilden können. 

Es gibt allerdings einige Tätowierstudios, die sich auf medizinische Tattoos spezialisiert haben und seit Jahren mit Ärzten zusammenarbeiten. Mehr Informationen hierzu bietet zum Beispiel Medizinische Brustwarzenrekonstruktion, kurz: Med-BWK. Hier haben sich speziell geschulte Tätowierer zusammengetan, die mit Brustzentren und Kliniken in Deutschland, Österreich und der Schweiz kooperieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Lassen Sie geschädigte Haut nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt pigmentieren. Im besten Fall kann dieser an einen Spezialisten verweisen. Denn ein Medical-Tattoo-Experte mit dem nötigen Know-how ist die wichtigste Voraussetzung für ein Ergebnis, mit dem Sie sich rundum wohl in Ihrer Haut fühlen.